taz.de -- Streit der Woche: Braucht Europa den Generalstreik?
Generalstreik in Portugal und Spanien: Die Menschen protestieren so gegen die Sparauflagen der EU. Und was ist mit unserer Solidarität?
Am 14. November wollen die Menschen auf der iberischen Halbinsel ihre Arbeit niederlegen. Die Gewerkschaften in Spanien und Portugal haben den Generalstreik ausgerufen. Denn um die Schuldenkrise zu überwinden, haben beide Länder Sozialleistungen gestrichen und Steuern erhöht. Die Menschen klagen über unzumutbare Belastungen. Viele verfluchen die Europäische Union.
Im September hat die spanische Regierung ein neues Sparpaket verabschiedet, mit dem sie in den nächsten Monaten 102 Milliarden Euro einsparen will. Die öffentlichen Haushalte werden dabei extrem beschnitten. In der Region Valencia etwa sollen 40 Prozent der Angestellten des öffentlichen Dienstes entlassen werden. Die Arbeitslosenquote in Spanien hat mit 25 Prozent bereits jetzt ein historisches Niveau.
In Portugal ist die Lage ähnlich dramatisch: Die Rezession und die Sparpolitik der Regierung haben zu einer Arbeitslosigkeit von rund 16 Prozent geführt. 2013 soll die Einkommenssteuer stark erhöht werden, außerdem soll es einen allgemeinen Steuerzuschlag von vier Prozent auf das Brutto-Einkommen geben. Gleichzeitig werden die Renten um bis zu zehn Prozent gekürzt und der Gesundheitssektor soll mit 17 Prozent weniger Geld auskommen.
Die Sparmaßnahmen haben Portugal und Spanien mit der Europäischen Union und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) vereinbart. EU und IWF hatten Portugal mit einem Rettungspaket in Höhe von 78 Milliarden Euro geholfen. Im Gegenzug soll das Land sein Haushaltsdefizit auf 4,5 Prozent der Wirtschaftsleistung drücken. Sonst droht der Bankrott.
Aktionstag in ganz Europa
Am 14. November nun will die ganze iberische Halbinsel streiken, um gegen Steuererhöhungen und Sozialkürzungen zu protestieren. Der Europäische Gewerkschaftsbund hat aus Solidarität zu einem europaweiten Aktionstag aufgerufen. In Italien ist deshalb ein vierstündiger Generalstreik angekündigt. In Belgien, Frankreich, Tschechien, Slowenien, Zypern, Malta, Österreich und der Schweiz sind Streiks und Solidaraktionen in Planung.
Auch in Deutschland gibt es Aktionen: „Wir werden unsere südeuropäischen Kollegen nicht im Regen stehen lassen“, sagt der Frankfurter Gewerkschaftssekretär Jürgen Hinzer. Um 14 Uhr ist in Frankfurt eine Mahnwache vor dem griechischen Generalkonsulat geplant. Ab 18 Uhr soll dort eine Demonstration durch die Innenstadt beginnen. Aber reichen Mahnwachen und Demos? Der 14. November kann als größter Streiktag seit Generationen in die Geschichte Europas eingehen. Sollen wir uns mit Spanien und Portugal solidarisch zeigen?
Braucht ganz Europa den Generalstreik?
Was denken Sie? Die taz wählt unter den interessantesten Kommentaren ein oder zwei aus und veröffentlicht sie in der sonntaz vom 10./11. November. Der Kommentar sollte etwa 900 Zeichen umfassen und mit dem Namen und der E-Mail-Adresse der Autorin oder des Autors versehen sein. Oder schicken Sie uns bis Mittwochmittag eine Mail an: [1][streit@taz.de]
6 Nov 2012
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Im krisengeschüttelten Slowenien protestieren tausende Regierungsgegner. Gewaltsame Ausschreitungen überschatten die Wahl am Sonntag.
Kanzlerin Merkel will den Sparkurs der portugiesischen Regierung unterstützen. Bürgerinitiativen beklagen die totale Zerstörung des Sozialstaats.
Braucht Europa den Generalstreik? Oskar Lafontaine von der Linkspartei fordert ihn ein. Die Stifterin Ise Bosch kritisiert „Reichen-Hetze“.
Gegen den geplanten Portugalbesuch von Kanzlerin Merkel regt sich massiver Widerstand. Durch das harte Spardiktat werde die Krise im Land weiter verschärft.
Abstieg ins Elend: Mehr als 500 Wohnungen werden in spanien täglich zwangsgeräumt, weil ihre Bewohner überschuldet sind. Nun wird eine Gesetzesreform diskutiert.
Belgische Beschäftigte des Autokonzerns Ford demonstrieren in Köln gegen Werksschließungen. Dabei kommt es auch zu Ausschreitungen.
Die griechische Regierung muss bis Ende der Woche das Sparprogramm und den Haushalt durchboxen. Sonst gibt es kein neues Geld mehr. Jetzt droht ein Generalstreik.
Portugal kürzt, dass es kracht. Nach zweijähriger Rezession sind viele Menschen aber des Sparens müde. Sie fordern den Rücktritt der Regierung.
In Spanien protestieren Gewerkschaften und Organisationen gegen die Sparmaßnahmen der Regierung. Hilfe aus Brüssel gibt es nicht umsonst, das ist das Problem.