taz.de -- Erneuerbare-Energien-Gesetz: Der Kommissar geht um

EU-Energiekommissar Günther Oettinger stänkert erneut gegen die Förderung erneuerbarer Energien. Zugriff auf das deutsche Gesetz hat er aber nicht.
Bild: Da-di-da-Dum: Günther Oettinger.

BERLIN taz | EU-Energiekommissar Günther Oettinger sorgt wieder einmal für Unruhe bei den deutschen Ökostromern. In einem Konzeptpapier, das in den nächsten Tagen in Brüssel präsentiert werden soll, fordert Oettinger nach Medienberichten EU-weite Änderungen bei der Förderung von Ökostrom, die auch das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) betreffen könnten. Ein direkter Zugriff der EU-Kommission auf die deutsche Energiepolitik ist allerdings juristisch schwierig und politisch unwahrscheinlich.

Der frühere CDU-Ministerpräsident von Baden-Württemberg hat auch in seinem Job als EU-Energiekommissar nie ein Geheimnis aus seiner Ablehnung der deutschen Ökostrom-Förderung durch das EEG gemacht: zu teuer, zu sehr auf Solarenergie konzentriert, nicht mit einem europäischen Strommarkt kompatibel ist die Energiewende aus Oettingers Sicht.

Nun zitieren mehrere Medien aus seinem Konzept, das den Strommarkt „europäisieren“ will und dafür auch das Subventionssystem der Länder ins Visier nimmt. Bislang gilt für den Ökostrom eine Ausnahme vom Verbot der staatlichen Beihilfen. Das aber will Oettinger offenbar auf den Prüfstand stellen und in der EU-Kommission allgemeine Vorschläge für die nationalen Fördersysteme machen.

Eine solche Angleichung würde das deutsche EEG massiv unter Druck setzen. Doch es gilt laut Urteilen vom deutschen Verfassungsgericht und Europäischen Gerichtshof nicht als staatliche Beihilfe, weil es nicht direkt Staatsgeld verteilt, sondern als Umlage von den Stromkunden bezahlt wird. Eine Neuregelung der Beihilfen würde also das EEG kaum direkt betreffen.

Kein politischer Zugriff

Auch politisch kann der EU-Kommissar nicht in einen Mitgliedstaat hereinregieren. In den EU-Verträgen von Lissabon ist ausdrücklich festgehalten, dass jedes Land seine Energiepolitik selbst festlegt. „Die Generaldirektion Energie hat in diesem Bereich keine Handhabe“, sagt Georg Zachmann, Energieexperte vom Thinktank „Bruegel“ in Brüssel. Sie sei die „Hüterin der Verträge“, könne aber in der Realität „sehr wenig verändern“.

Tatsächlich gebe es große Hindernisse auf dem Weg zu einem echten Binnenmarkt beim Thema Energie, der bis 2014 eigentlich geschaffen sein sollte, sagt Zachmann. Neben der Ökoförderung seien auch die Festlegung von Preisen oder Beihilfen für Kraftwerke Hindernisse. Nur über den Binnenmarkt könne Oettinger das EEG indirekt beeinflussen: Wenn alle Länder Ökostrom aus anderen Ländern aufkaufen müssten, würde das EEG schnell an die Grenzen der Finanzierung stoßen.

Aber bis es eine solche Abstimmung mit der ganzen Kommission gebe, bis ein solcher Vorschlag bei den Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament durchgesetzt sei, könne noch viel Zeit vergehen, so der Experte. „Wenn Oettiner auf das EEG durchgreifen könnte“, so Zachmann, „hätte er das sicher schon längst getan.“

13 Nov 2012

AUTOREN

Bernhard Pötter

TAGS

Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)
EU
Günther Oettinger
Stromkosten
Strompreis
Energiewende
Ökostrom
Ökostrom
Hamburg
EEG-Umlage
Rainer Brüderle

ARTIKEL ZUM THEMA

Wen trifft das EEG besonders?: Unsoziale Stromkosten beklagt

Statt über den Strompreis sollte Ökostrom über Steuern finanziert werden, fordert ein Institut. Sonst seien ärmere Haushalte zu stark belastet.

Neue Geschenke für die Industrie: Schizophrene Stromsubventionen

„Die Klientelregierung verteilt Lobbygeschenke“: Bis zu 500 Millionen Euro jährlich wegen „emissionshandelsbedingter Strompreiserhöhungen“.

Energiewende in Deutschland: 312.000 Stromsperren im Jahr

Kritiker haben es künftig schwerer, gegen die Energiewende zu argumentieren. Die Zahl der Verbraucher, denen der Saft abgeklemmt wird, ist halb so groß wie gedacht.

Alternative Stromlieferer: Ökostrom auf Koks

Die Verbund AG aus Österreich lieferte Ökostrom für Deutschland. Aber nun setzt die Firma auch auf Schmutzstrom.

Preisanstieg für Energie: Die Stromversorger langen zu

Pünktlich zum neuen Jahr erhöhen fast 240 Energiekonzerne die Preise. Schuld daran ist angeblich die Ökostromumlage. Inkasso für den Staat?

Vattenfall erhöht Strompreise: 6,45 Euro mehr

Vattenfall erhöht die Strompreise in Berlin und Hamburg um 13 Prozent. Die Erhöhung ist angeblich die höchste, die Vattenfall je in Deutschland verkündet hat.

Kommentar Ökosteuer: Das Geld der anderen

Schwarz-Gelb hat die Rabatte für energiefressende Wirtschaftszweige verlängert. Eigentlich gehören die Privilegien der Industrie schonungslos in Frage gestellt.

Energiegipfel von Bund und Ländern: Wer zahlt wem die grüne Zukunft?

Beim Energiegipfel geht es um der Ausbau der Erneuerbaren – und es geht ums Geld: die Flächenländer kassieren, die Ballungsräume zahlen.

Brüderle gegen Solaranlagen-Neubau: Keine neuen Zellen für die „Snobs“

Rainer Brüderle rät vom Bau neuer Fotovoltaikanlagen ab. Stattdessen fordert der FDP-Fraktionsvositzende ein Moratorium zum Thema. Neu ist das Gestänker nicht.

Kommentar Oettinger: Der Problembär von Brüssel

Viele EU-Politiker haben nicht verstanden, was Klimaschutz bedeutet, es wird peinlich, peinlicher, am peinlichsten. Und dann gibt es noch Günther Oettinger.