taz.de -- Demos in Frankreich gegen Homo-Ehe: „Ein Papa, eine Mama, ganz einfach!“
Mehr als 100.000 Menschen gehen in Frankreich gegen die Homo-Ehe auf die Straße. Als homophob wollen sie allerdings auf keinen Fall gelten.
PARIS taz | „Auf jeder Gay Pride gibt es doppelt so viele Teilnehmer – und bunter ist es“, meint unbeeindruckt ein junger Mann am Straßenrand des Boulevard Montparnasse, wo die Pariser Kundgebung gegen die Homoehe defiliert. Vielleicht ist dieser kleine Unterschied eine Frage der Übung. Den meisten Demonstrierenden ist nämlich anzusehen, dass sie nicht gerade zu jenen Franzosen und Französinnen gehören, die oft und lautstark protestierend auf Straße gehen.
Vergeblich hatten die Organisationen mit einem „Dress code“ die Sympathisanten dazu angehalten, nicht allzu auffällig als erzkonservative Bevölkerung (im Lodenmantel und so) daherzukommen, sondern sich möglich farbig, „wenn möglich in Blau, Weiß und Rosa“ zu kleiden. Immerhin gelang es bei den Kundgebungen in den vielen Städten weitgehend, offen homophobe Misstöne zu vermeiden. „Wir lieben euch“, versicherten manche Demonstranten sehr christlich via Shirt-Aufschrift den Homos und Lesben.
Die Pläne der Linksregierung, den homosexuellen Partnern das Recht auf Ehe und unweigerlich im Gefolge davon auch das Recht auf die Adoption von Kindern zu gewähren, trifft diese konservativen Menschen aber am Nerv und zutiefst in ihrer religiösen Überzeugung. Was da im Namen der Gleichberechtigung als „Ehe für alle“ ins Gesetz gemeißelt werden soll, widerspricht ihrem Menschenbild und nach ihrem Verständnis auch Gottes Willen.
Seit Adam und Eva besteht ein Paar aus einem Mann und einer Frau: „Ein Papa, eine Mama, es gibt nichts Besseres für die Kinder“ stand auf den mitgetragenen Schildern. Andere Konstellationen seien eine Gefahr für die Zivilisation und den Fortbestand der Menschheit, versichern die Gegner der Homoehe, zu denen sich am Samstag bei den Kundgebungen in Paris und anderen Städten zahlreiche prominente Politiker der oppositionellen UMP gesellt hatten.
Konservative verlangen Volksabstimmung
Sie verlangen eine Volksabstimmung und verheißen der Linksregierung weit größere Mobilisierungen, wenn die Vorlage zur Homoehe Mitte Januar vors Parlament kommen soll.
Schärfere Töne fielen am Sonntag bei einer weiteren Kundgebung in Paris, die von der rechts-katholischen, den Lefevbre-Traditionalisten nahestehenden „Civitas“ organisiert wurde. Die zivile Trauung von Gleichgeschlechtlichen bezeichnen sie als „Homofolie“ („Homo-Wahnsinn“). Zahlreiche französische Bischöfe haben sich bereits öffentlich gegen die Homoehe ausgesprochen.
Sie wurden am Samstag vom Papst in ihrem Kampf ermuntert: Die Katholiken müssten sich „ohne Angst mit Entschlossenheit“ zu diesen Gesellschaftsfragen äußern und sich einmischen. Organisationen der Schwulen, Lesben, Bi- und Transsexuellen haben für den 16. Dezember eine Gegendemonstration angekündigt.
18 Nov 2012
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Die miese Menschenrechtslage in Vietnam wird durch einen liberalen Umgang mit Homosexuellen verdeckt. Aber dieser politische Schachzug hat einen Hintergrund.
In Hanoi demonstrieren Lesben und Schwule für mehr Rechte. Die offzielle Politik reagiert positiv auf die zweite vietnamesische Gay Pride.
Gegner der Homoehe wollen erneut in Paris demonstrieren. Längst geht es beiden Seiten um mehr als das Recht auf die Ehe für alle.
Nach den Gegnern zeigen sich jetzt die Befürworter der Homoehe auf Frankreichs Straßen. Die gesellschaftliche Mehrheit scheint aber unstrittig.
Die Konservativen in England und Wales streiten über die gleichgeschlechtliche Ehe. Ein entsprechendes Gesetz soll im kommenden Jahr verabschiedet werden.
Der CDU-Parteitag soll eine steuerrechtliche Gleichstellung für homosexuelle Paare beschließen. Die Initiatoren setzen auf eine Debatte, nicht auf Sieg.
Die amerikanische Historikerin Dagmar Herzog über Obamas Triumph, Angst vor Sex, eingeschränkte weibliche Selbstbestimmung und die Macht des „Pink Money“.
Die konservative französische UMP leistet sich einen lächerlichen Hahnenkampf. Die Partei driftet ideologisch ab.
Peinliche Affäre: Bei der Urwahl der UMP in Frankreich erklären sich beide Kandidaten zum Sieger. Die Auszählung dauert an, es soll Unregelmäßigkeiten gegeben haben.
Hollande kann in der Debatte um die Homoehe zeigen, dass er für ein fortschrittliches Frankreich steht. Tut er es nicht, kann er einpacken.
Die „Linksfront“ aus Kommunisten und Linkspartei geht auf Distanz zu den Sozialisten. Bei den Grünen wachsen die Zweifel an der Regierungsbeteiligung.
Serge Dassault ruft nach Hilfe: Er glaubt, dass die Franzosen aussterben. Und zwar wegen der Homo-Ehe. Der Mann besitzt übrigens ein Rüstungsunternehmen.