taz.de -- Vor der Wahl in Niedersachsen: Das rot-rot-grüne Gespenst

SPD und Grüne wollen am liebsten gar nicht über die Linke reden. Die dagegen versucht, sich mit Koalitionsangeboten ins Gespräch zu bringen.
Bild: Letzte Chance Annäherung: Sahra Wagenknecht (links!) und Parteichefin Katja Kipping favorisieren Rot-Rot-Grün

BERLIN taz | Beim TV-Wahlkampf-Duell mit David McAllister, CDU-Ministerpräsident in Niedersachsen, sah sein Herausforderer, der SPD-Mann Stephan Weil, einen Moment lang richtig schlecht aus: bei der Frage nach der Linkspartei. Das sei „eine Splitterpartei“, mit der sich die SPD überhaupt nicht zu befassen brauche.

Doch Kooperationen mit der Splitterpartei ausschließen mochte Weil dann auch nicht. Offenbar erinnert man sich in der SPD an das selbstzerstörerische Ausschlussdogma, das nach der Landtagswahl in Hessen 2008 Andrea Ypsilantis Karriere beendete.

Die SPD in Niedersachsen ist auf Rot-Grün fixiert. Jede Stimme für die Linkspartei, so die Losung, sei verschenkt. Deren Chancen, wieder den Einzug in den Landtag zu schaffen, sind überschaubar. In den meisten Umfragen liegt die Linkspartei seit Wochen konstant bei drei Prozent, auch bei der infratest Umfrage, die vom 8. bis zum 10. Januar durchgeführt wurde. Nur bei einer Umfrage der info gmbh vom 2. und 3. Januar kam die Linkspartei auf sechs Prozent.

Rot-Grün setzt gegen die Underdogs auf scharfe Abgrenzung und Ignorieren, ohne sich auf eine verbindliche Absage an jede Zusammenarbeit festzulegen. Die Linkspartei kontert mit mehr oder weniger ernsthaften Koalitionsangeboten, um im Geschäft zu bleiben. Und mit Sahra Wagenknecht, die großflächig plakatiert wird.

Wagenknecht, so die Linkspartei, soll für den Fall aller Fälle mit SPD und Grünen über eine Regierungsbeteiligung verhandeln. Weil die Idee, dass jemand Koalitionsverhandlungen führt und sich danach nach Berlin verabschiedet, absurd ist, müht sich die Linkspartei, Wagenknecht als realistische Möglichkeit zu inszenieren.

Wagenknecht als Wirtschaftsministerin?

Parteichef Bernd Riexinger hat sie als Wirtschaftsministerin für Niedersachsen ins Spiel gebracht. „Sahra Wagenknecht wäre jedenfalls als Wirtschaftsministerin deutlich kompetenter als so mancher Amtsinhaber“, sagte Riexinger in einem Interview. Wirklich näher wirkt das nicht. Schon dass Rot-Grün ausgerechnet mit der weitgehend ortsunkundigen scharfen SPD-Kritikerin Wagenknecht verhandeln soll, ist so gut wie ausgeschlossen.

Dietmar Bartsch, Ostpragmatiker, kommentiert die rot-rot-grüne Taktik der Genossen in Hannover eher sybillinisch: „Mit der Linken im Landtag gibt es auf jeden Fall kein Schwarz-Gelb. Aber ich plädiere für ein Höchstmaß an Eigenständigkeit der Linken“, sagte Bartsch zur taz.

Rot-Rot-Grün unmöglich

Was wird die SPD tun, wenn es weder für Rot-Grün noch Schwarz-Gelb reicht? Eine Große Koalition unter Führung der CDU gilt als wahrscheinlich, aber nicht sicher. Denn dies ist mit Blick auf die Bundestagswahl eine deprimierende Aussicht. Zudem lockt die Chance, mit einer Regierung ohne CDU in Hannover Schwarz-Gelb im Bundesrat vollständig zu entmachten.

Ergo? Rot-Rot-Grün ist so gut wie unmöglich. Anderes geht nicht, etwa Tolerierung oder Regieren mit wechselnden Mehrheiten.

Damit war zuletzt eine vorsichtige Sozialdemokratin erfolgreich: Hannelore Kraft, die 2010 nach langem Zögern eine rot-grüne Minderheitsregierung dem Bündnis mit der CDU vorzog.

16 Jan 2013

AUTOREN

Stefan Reinecke
Stefan Reinecke

TAGS

Wahlkampf
Niedersachsen
SPD
Bündnis 90/Die Grünen
BSW
Schwerpunkt Landtagswahlen
Schwerpunkt Landtagswahlen
Schwerpunkt Landtagswahlen
Landwirtschaft
Wahlkampf
Wahlkampf
Wahlkampf

ARTIKEL ZUM THEMA

Landtagswahlkampf in Hessen: Grüne, hört die Signale!

Hessens SPD-Chef Schäfer-Gümbel umwirbt die Grünen nach Kräften und holt Laura Garavini und Claudia Kemfert in sein Schattenkabinett.

Landtagswahl in Niedersachsen: Hannoveraner Hängepartie

Die Wahl in Niedersachsen ist immer noch nicht entschieden. Hochrechnungen ergeben Pattsituationen oder knappe Ein-Sitz-Mehrheiten für Rot-Grün und Schwarz-Gelb im Landtag.

Landtagswahl in Niedersachsen: Wähler machen sich rar

Die Beteiligung bei der Landtagswahl in Niedersachsen liegt auf niedrigem Niveau. Ein knapper Ausgang wird erwartet, vor allem die FDP muss um einen Einzug ins Parlament zittern.

Der Geruch der Agrarindustrie: Gülle Gülle Niedersachsen

Niedersachsen ist das Schlachthaus der Nation und setzt voll auf industrielle Tierhaltung. Doch der Grüne Christian Meyer plant die Landwirtschaftswende.

SPD Frau wechselt zur Linkspartei: Ein Racheengel will sie nicht sein

Kurz vor der Niedersachsen-Wahl wechselt Sigrid Leuschner von der SPD zur Linkspartei. Sie war bei einer Nominierungsabstimmung Doris Schröder-Köpf unterlegen.

Streit der Woche: Kann man auf Rot-Grün hoffen?

Mit der Niedersachen-Wahl beginnt das Superwahljahr in Deutschland. Rot-Grün ist unsexy. Aber gibt es eine Chance auf einen Neuanfang?

Landtagswahl in Niedersachsen: Die Linke und das alternative Leben

Johanna Voß lebt im Wendland, Territorium der Grünen. Aber die 54-Jährige vertritt im Bundestag die Linkspartei mit Themen wie Atommüll und Fracking.

Grüne Koalitionsspielchen: Aufruhr wegen Schwarz-Grün

Der Vorstoß von Bayerns Landeschef für mehr Offenheit in der Koalitionsfrage erntet bei den Grünen viele erboste Reaktionen.

Niedersachsen-Wahl: Immer nur lächeln

Das TV-Duell im NDR war das einzige direkte Aufeinandertreffen der Spitzenkandidaten Stephan Weil und David McAllister.