taz.de -- Öffentlich-Private Partnerschaften: Die Zustimmung bröckelt

Lange fiel es Sozialdemokraten schwer, sich ÖPP-kritisch zu positionieren – schließlich hatten sie dem Modell zur Blüte verholfen. Jetzt dreht sich der Wind.
Bild: Autobahnklau: Mitarbeiter der Autobahnmeistereien demonstrieren gegen die Privatisierung der A7.

BERLIN taz | Eigentlich hätte heute der Bundestagsverkehrsausschuss über die Teilprivatisierung der A 7 debattiert. Doch Union und FDP beantragten erfolgreich, die Debatte zu verschieben. Die nächste Sitzungswoche beginnt am 28. Januar. Und da wird die Niedersachsen-Wahl entschieden sein.

Nachdem die taz über Unregelmäßigkeiten bei den Wirtschaftlichkeitsberechnungen zum A 7-Ausbau berichtet hatte, äußern sich jetzt auch die Sozialdemokraten kritisch zum Thema Öffentlicher-Privater Partnerschaften bei der A 7. Die SPD-Bundestagsfraktion fordert in einem Entschließungsantrag den Stopp des Vorhabens. Bis zur „Klärung der Widersprüche in den Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen“, heißt es in dem Antrag, sollten die „Vorbereitungen zur Ausschreibung als ÖPP-Projekt“ ausgesetzt werden.

Im Auftrag von Peter Ramsauers (CSU) Bundesverkehrsministerium hatte ein privates Beraterkonsortium die Daten einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung zur A 7 verändert. Diese Untersuchung stellt die Kosten einer konventionellen Beschaffung der Infrastruktur denen eines ÖPP-Verfahrens gegenüber. Die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung entscheidet mit darüber, ob ein Abschnitt der A 7 teilweise privatisiert werden kann.

Die taz hatte berichtet, dass die Daten von Ramsauers privaten Beratern „plausibilisiert“ worden waren. Nach dem Eingriff erschien die ÖPP-Variante um 29 Millionen Euro günstiger. Insgesamt geht es um rund 600 Millionen Euro.

Die Sozialdemokraten fordern nun, die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung zur A 7 „öffentlich zu machen“. Anstatt der privaten Berater solle die Untersuchung erneut von „unabhängigen Gutachtern“ durchgeführt werden.

Dabei ist der Umgang mit der komplizierten Materie weder für die SPD noch die Grünen politisch einfach. Beide Parteien waren an dem Gesetz beteiligt, das die ÖPP erst etablierte. Während die Grünen im Bund mit Anton Hofreiter, Vorsitzender des Verkehrsausschusses, einen kenntnisreichen Kritiker in ihrer Partei haben, ging die SPD mit dem Thema bisher verhalten um. Doch nach zahlreichen warnenden Berichten der Rechnungshöfe wird jetzt auch bei den Genossen der Ton immer kritischer.

ÖPP beerdigt?

Bereits im Mai hatte die Partei einen Antrag an den Bundestag gestellt: „Für einen neuen Infrastrukturkonsens: Öffentlich-Private Partnerschaften differenziert bewerten“. Das Papier ist Ausdruck eines Sinneswandels und wurde über Monate abgestimmt. Gefordert wird darin nichts Revolutionäres, etwa die „vollständige Transparenz“ bei den „langfristigen Verträgen“. Gleiches „gilt auch für die Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen“. Würde dem Antrag allerdings buchstäblich gefolgt, wäre das Geschäftsmodell von ÖPP wohl beerdigt.

Jahrelang war das Thema bei den Genossen sakrosankt. Denn nicht nur der CDU-Mann Roland Koch profitierte von seiner speziellen ÖPP-Zugewandtheit. Hessen gilt als Musterland für ÖPP. Sein Ex-Ministerpräsident ist heute Chef von Bilfinger Berger, einem Konzern, der Milliarden mit ÖPP umsetzt.

Auch Sozialdemokraten wie Rudolf Scharping fanden mit ÖPP eine Erwerbsquelle. Seine „Rudolf Scharping Strategie Beratung Kommunikation“ ist für ÖPPs maßgeschneidert. Und auch SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück ließ sich für ein Interview mit Bilfinger Berger zu ÖPP eine fünfstellige Summe überweisen.

Ginge es nach Michael Groß, der das Thema für die SPD im Verkehrsausschuss beackert, sollte mit ÖPP bald Schluss sein. Er wünscht sich eine systematische Evaluation der „Partnerschaften“ in Deutschland. Im Erfinderland Großbritannien war eine Untersuchungskommission zu dem Ergebnis gekommen: Die Projekte waren teurer als eine konventionelle Beschaffung.

CDU traut Rechnunshof nicht

Transparenz scheint auch geboten, denn wo der Rechnungshof prüft, findet er Nachteile für den Staat. Auch bei der A 7. Doch im Verkehrsministerium werden die Rechnungsprüfer als voreingenommen abgetan. Auch der Berichterstatter der CDU, Reinhold Sendker, reagiert so auf die in der taz dargestellten Fakten. Ob auch er die Beamten vom Rechnungshof für voreingenommen hält? „Ausdrücklich ja!“, schrieb er der taz. Überdies seien auch die privaten Berater „notwendig“ – obwohl das Verkehrsministerium selbst rund 1.600 Mitarbeiter beschäftigt.

Das Bundesverkehrsministerium zieht zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung seit 2011 ein privates Konsortium heran. Die darin vertretenen Firmen agieren teils selbst im Geschäftsfeld von ÖPP. „Da besteht ein Interessenkonflikt“, sagt Anton Hofreiter. „Die wollen die Projekte, deswegen nehmen sie sich private Berater, die das schönrechnen.“ Bereits 2011 hatte der Rechnungshof kritisiert, dass bei ÖPP „die Grenzen zwischen Beratung und Lobbying fließend“ seien. Die Rechnungsprüfer wiesen auf „die Problematik der eigennutzorientierten Beratung“ hin.

16 Jan 2013

AUTOREN

Kai Schlieter
Kai Schlieter

TAGS

Privatisierung
ÖPP
A7
PPP
Autobahn
ÖPP
ÖPP
Privatisierung
PPP
Finanzen
Autobahn

ARTIKEL ZUM THEMA

Öffentlich-Private Partnerschaften: Gekaufte Inhalte

Beim 8. Bundeskongress ÖPP vernetzen sich Wirtschaft und Politik. Gemeinsam verleihen sie Preise, vor denen man weglaufen sollte.

Öffentlich-private Partnerschaften: A7-Privatisierung vor dem Aus

Die umstrittene Öffentlich-Private Partnerschaft kommt wohl nicht: Vor dem Regierungswechsel zu Rot-Grün will Niedersachsen die Ausschreibung nicht starten.

Kommentar Wasser-Privatisierung: Fauliges Wasser

Beim Wasser ist die Versorgung durch private Anbieter selten besser, als durch staatliche. Warum will die EU also unbedingt hier die Privatisierung fördern?

Bauingenieur über ÖPP-Machenschaften: „Ich wäre dafür im Knast gelandet“

Manche Politiker haben nichts gegen frisierte Gutachten. Das sei gut für die Bauindustrie und schlecht für die Allgemeinheit, meint Privatisierungskritiker Carl Waßmuth.

Kommentar Private Finanzierung: Der Markt regelt gar nichts

Öffentlich-privat finanzierte Projekte sind unseriös. Vor allem sparen sie kein Geld. Nur ein Kartell von Politikern und Konzernstrategen hält das Modell am Leben.

Privatisierung um jeden Preis: Der Autobahn-Klau

Das Bundesverkehrsministerium will immer mehr Autobahnabschnitte privatisieren. Das kostet sogar mehr? Egal. Dann ignoriert man die Studien eben.