taz.de -- CSUler über doppelte Staatsbürgerschaft: „Kein Handlungsbedarf“

Der integrationspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Michael Frieser (CSU), über Probleme mit zwei Pässen und die Forderung nach einer Entscheidung.
Bild: Türkinnen in Deutschland? Deutsche mit türkischen Eltern? Zwei Leute, vier Pässe?

taz: Herr Frieser, Ihr Koalitionspartner, die FDP, will die doppelte Staatsbürgerschaft öfter zulassen. Was spricht dagegen?

Michael Frieser: Erstens ist das nur die Meinung von Einzelnen, nicht der gesamten FDP. Zweitens sehe ich da derzeit keinen Handlungsbedarf.

In diesem Jahr haben die ersten Jugendlichen, die mit zwei Pässen aufgewachsen sind, ihre deutsche Staatsbürgerschaft verloren. Ist das nicht integrationspolitisch fatal?

Ich sehe erst einmal den Erfolg, dass neun von zehn Jugendlichen, die vor der Wahl standen, sich für die deutsche Staatsbürgerschaft entschieden haben. Und wer das will, kann sich auch später einbürgern lassen. Ich finde es richtig, dass man sich für eine bestimmte Rechtsordnung entscheidet und dafür, wo der eigene Lebensmittelpunkt liegen wird. Die Staatsbürgerschaft muss das Ende dieses Prozesses sein, nicht der Anfang.

Bei mehr als der Hälfte aller Einbürgerungen wird die Mehrstaatlichkeit hingenommen. Auch der ehemalige CDU-Ministerpräsident McAllister besitzt zwei Pässe, einen deutschen und einen britischen. Warum soll das bei Nicht-EU-Bürgern ein Problem sein?

Die doppelte Staatsbürgerschaft kann zu einer Vielzahl von Problemen führen – in Fragen des diplomatischen Schutzes, der Rechtsverfolgung und im Familienrecht. Bei EU-Bürgern ist das auf einer rechtlichen Ebene mittels Abkommen geklärt. Wir sollte aber tatsächlich überprüfen, ob wir die Mehrstaatlichkeit wirklich so oft hinnehmen müssen, wie das derzeit geschieht.

Mehr als sechs Millionen Menschen in Deutschland besitzen keinen deutschen Pass: Sie sind damit Bürger zweiter Klasse. Wäre es nicht wichtiger, mehr Menschen zur Einbürgerung zu bewegen, als auf der Exklusivität der deutschen Staatsbürgerschaft zu beharren?

Wer die Staatsbürgerschaft eines anderen Landes besitzt, der ist dort Bürger erster Klasse. Hierzulande genießt er zugleich einen Schutz und eine Achtung seiner Grundrechte, die weltweit ihresgleichen sucht. Wer darüber hinaus die gleichberechtigte Teilhabe in diesem Land haben möchte, muss sich entscheiden.

Der bürokratische Aufwand, um die Optionspflicht durchzusetzen, ist enorm. Lohnt sich dieser Aufwand überhaupt?

Kein anderes Land dieser Welt betreibt so einen Aufwand, und wir werden ihn vielleicht auch nicht bis ans Ende aller Tage betreiben. Aber wenn wir es schaffen, dass sich möglichst viele Menschen so eindeutig für Deutschland als ihre Heimat entscheiden, dann ist es das wert. Es wäre außerdem auch falsch zu glauben, dass die doppelte Staatsbürgerschaft nicht auch mit Kosten verbunden wäre, etwa für binationale Rechtskonflikte. Diese Kosten sind zwar nur schwer zu beziffern. Aber die zahlt letztendlich auch der deutsche Staat.

21 Feb 2013

AUTOREN

Daniel Bax

TAGS

CSU
Staatsbürgerschaft
Pass
Optionspflicht
FDP
doppelte Staatsbürgerschaft
Optionspflicht
Doppelpass
doppelte Staatsbürgerschaft

ARTIKEL ZUM THEMA

Initiative für den Doppelpass: Die Ausnahme ist längst die Regel

Bei der doppelten Staatsbürgerschaft steht die CDU stark unter Druck. Ihr Nein verhindert, dass sich mehr Einwanderer einbürgern lassen - und ist ungerecht.

Doppelte Staatsbürgerschaft: Erzwungener Identitätskonflikt

Ein Politik-Kurs der Gesamtschule Ost erstellt eine Broschüre zum Thema doppelte Staatsbürgerschaft. Nur drei von 20 SchülerInnen hätten diese gerne.

Optionspflicht bei Staatsbürgerschaft: Qual der Entscheidung

Ab diesem Jahr müssen sich Kinder von Nicht-EU-Ausländern für eine Staatsangehörigkeit entscheiden. Drei Protokolle von Jugendlichen.

Kommentar doppelte Staatsbürgerschaft: Der zweite Pass ist gelebte Realität

Die Argumentation der Union zur doppelten Staatsbürgerschaft ist verlogen. Die Liberalen versuchen sich vom Koalitionspartner abzugrenzen.

Staatsbürgerschafts-Debatte: FDP entdeckt den Doppelpass

Liberale finden die doppelte Staatsbürgerschaft plötzlich gut. Die CSU ist verärgert. Die Opposition freut der Sinneswandel – und überschüttet die FDP mit Spott.

Mehr Einbürgerungen: Deutschmacher erfolgreich

Der Senat lobt seine Einbürgerungskampagne, der Opposition geht sie nicht weit genug, es handle sich um eine Werbekampagne für den Bürgermeister.