taz.de -- Kommentar Präsidentenwahl: Italiens Linke zerlegt sich
Zwei Kandidaten, zwei Lager, nur Verlierer. Dass Giorgio Napolitano als Präsident einspringen musste, ist ein Waterloo für die Partito Democratico.
„Am Rande des Lächerlichen“: Ein kluger Protagonist der italienischen Politik fällte dieses vernichtende Urteil über die Bestätigung Giorgio Napolitanos im Amt des Staatspräsidenten, dann ergänzte er: Nichts anderes als eine „Nichtlösung“ werde da geboten. Der bissige Kommentar stammt von niemand anderem als – von Giorgio Napolitano, der noch wenige Tage vor seiner Wiederwahl die nun erfolgte Nichtlösung kategorisch ausschloss.
Gewiss, Napolitano genießt im Ausland höchstes Ansehen, und in Italien hat er höchste Popularitätswerte. Doch obwohl er selbst aus der Linken stammt, ist seine Wahl nichts anderes als das Waterloo der Linken, vorneweg der Partito Democratico (PD) unter Pierluigi Bersani.
Ein fast 88-Jähriger soll als Staatschef weitermachen, weil die Linke unfähig ist, trotz ihrer numerischen Stärke im Parlament einen eigenen, neuen Kandidaten durchzubringen. Erst rebellierte die PD gegen den Kandidaten der Partei, Franco Marini, der mit den Stimmen Berlusconis gekürt werden sollte. Und einen Tag später rächten sich die Parteigänger eines Paktes mit Berlusconi, indem sie den Gründervater der PD, Romano Prodi, gnadenlos abschossen.
Ungezählte Seilschaften, einander verbunden vor allem durch gegenseitigen Hass, dazu zwei unvereinbare Linien: Dies führte die PD jetzt in den Abgrund. Angesichts des Erfolgs der 5-Sterne-Bewegung unter Beppe Grillo hatte die PD die Wahl: Entweder sie geht eine große Koalition mit Berlusconi ein – oder sie sucht einen Kompromiss mit Grillo. Marini stand für die erste, Prodi für die zweite Lösung.
Und Napolitano? Der ist als Anhänger der großen Links-rechts-Koalition bekannt. Die wird Italien jetzt wohl bekommen, und der Sieger heißt wieder einmal Silvio Berlusconi. Die PD dagegen liegt in Trümmern und steht vor der Spaltung.
21 Apr 2013
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Bei den italienischen Kommunalwahlen verliert die Bewegung von Beppe Grillo dramatisch an Stimmen. Daran ist er selbst nicht unschuldig.
Die Bewegung von Beppe Grillo erleidet im Vergleich zu den Parlamentswahlen starke Verluste. Die Sozialdemokraten legen kräftig zu. Und in Rom sind sie sogar stärkste Kraft.
Der Vizechef der Demokratischen Partei Italiens, Enrico Letta, soll die neue Regierung bilden. Seine Partei könnte das zerreißen.
Italiens Präsident Napolitano hat den sozialdemokratischen Politiker Enrico Letta zum Regierungschef ernannt. Die Nummer Zwei der Demokratischen Partei nahm das Amt an.
Es bleibt beim Alten: Giorgio Napolitano wird eine zweite Amtszeit bestreiten. Nur auf ihn kann sich die politische Klasse einigen. Ein 87-jähriger muss das Land retten.
Ruhestand sieht anders aus: Weil auch im Wahlversuch Nr. 5 kein Nachfolger ermittelt werden konnte, erklärt sich der 87-jährige Präsident zu einer zweiten Amtszeit bereit.
Auch Romano Prodi ist bei seinem Versuch, neuer italienischer Staatspräsident zu werden, gescheitert. Er erhielt nur 395 der notwendigen 504 Stimmen.
Sozialdemokraten und das Berlusconi-Lager haben sich auf Franco Marini als Präsidentschaftskandidaten geeinigt. Das wird mit einer Umarmung gefeiert, die Folgen hat.
Vor der Wahl des Staatspräsidenten am Donnerstag präsentiert sich Italien auf Facebook mit einem neuen Beziehungsstatus: „Es ist kompliziert“.