taz.de -- Adblockerkampagne deutscher Medien: Schaut auf diese Anzeigen!

Spiegel Online, faz.net, Zeit Online und andere rufen LeserInnen auf, Werbung zuzulassen. Die User reagieren gespalten.
Bild: Biologischer Adblocker: Einfach nicht hinsehen

Werbung nervt. Meistens. Im Internet haben User einen Weg gefunden, sie zu umgehen: Adblock-Programme verhindern, dass auf den Hunderten von Seiten, die wir täglich aufrufen, Werbung angezeigt wird. Das Problem: Werbung ermöglicht überhaupt erst die Existenz vieler Seiten, die sich über die Erlöse finanzieren.

Weil die Einbußen durch Adblocker steigen, haben große Medienportale wie Spiegel Online, zeit.de und sueddeutsche.de nun eine erste Offensive gestartet, die an die Moral der LeserInnen appelliert. „[1][In eigener Sache:] Schalten Sie bitte den Adblocker ab!“, heißt es zum Beispiel auf Spiegel Online.

Rund ein Viertel aller Werbeeinnahmen gehe dem Portal wegen Adblockern verloren. „Das gefährdet unser Geschäftsmodell“, sagt Rüdiger Ditz, Chefredakteur von Spiegel Online. „Unsere Redaktion arbeitet nahezu 24/7 im Schichtbetrieb. Es ist ja nicht so, dass wir von Luft und Liebe leben.“

Die Reaktionen sind gemischt: Unter dem Aufruf tummeln sich Leserkommentare, die sich an der lästig aggressiven Internetreklame stören oder sogar anbieten, freiwillig für einen werbefreien Zugriff zu bezahlen. Gegen Bezahlung auf Werbung zu verzichten hält SpOn-Chefredakteur Ditz für keine Alternative: „Überall gibt es Werbung, auch im Spiegel“ – obwohl auch der nicht kostenlos erhältlich ist.

Den Seitenrand erdulden

Kompromisslösungen, wie ein Programm von [2][Adblock Plus], das bestimmte „akzeptable“ Werbung zulässt, greifen für ihn zu kurz: „Ich begrüße es, dass die Macher von Adblock Plus inzwischen das Problembewusstsein haben“, lobt Ditz, dennoch lasse das Programm keine standardisierten Werbeformate zu, die auf Spiegel Online üblich seien. „Wir müssen mit Adblock Plus weiter ins Gespräch kommen“, sagt er. Weitere Entwicklungsmöglichkeiten schließt er nicht aus: „Das Internet als Medium steckt noch in den Kinderschuhen.“

Ein bisschen Werbung am Seitenrand zu erdulden, um dem Medium seiner Wahl nicht die Grundlage zu entziehen – das scheint ein akzeptabler Deal. Was jedoch nicht in dem Aufruf steht: Wenn es um Nutzerrechte im Internet geht, liegen Datenschutz-Probleme nicht weit. „Über die Werbung wird das Surfverhalten der Nutzer ’getrackt‘, also verfolgt. Das wollen viele Nutzer aus Datenschutzgründen nicht akzeptieren“, warnt Matthias Spielkamp, Redaktionsleiter des Urheberrechtsportals [3][iRights.info].

Indem Seiten Werbeflächen zur Verfügung stellen, gewähren sie den Werbekunden also zugleich Zugriff auf die Nutzerprofile ihrer Leser. Rüdiger Ditz reicht den schwarzen Peter weiter: „Tracking ist im Web weit verbreitet: Bei Facebook, Google, das ist den Wenigsten bewusst. So ist das Geschäft. Ich wünschte auch, dass es anders wäre.“

Bandbreite sparen mit Adblockern

Dass Verlage ihr Finanzierungsmodell ausgerechnet mit Verweis auf Firmen rechtfertigen, deren Umgang mit Daten sie selbst kritisieren, ist erstaunlich. Michaela Zinke, Projektmitarbeiterin der Verbraucherschutz-Website „[4][Surfer haben Rechte]“, moniert die fehlende Transparenz: „Die Weitergabe der Daten erfolgt ohne Einverständnis der Leser.“ Zumal nicht klar sei, wer diese Daten verwertet. Deshalb fordert sie: „Unternehmen müssen dahin kommen, andere Finanzierungsmodelle zu finden.“

Und es stellt sich ein weiteres Problem: „[5][Liebe Verlage], euch ist schon klar, dass #Adblocker massiv Bandbreite sparen? In Zeiten von #Drosselkom kann sich nicht jeder Werbung leisten“, twitterte Frank Rieger, Sprecher des Chaos Computer Clubs. Tatsächlich kommt es durch die neuen Telekom-Tarife – bei denen mehr Datenverkehr mehr kostet – dazu, dass Nutzer dafür bezahlen, sich Werbung ansehen zu dürfen, denn auch die muss schließlich zwischengespeichert werden.

15 May 2013

LINKS

[1] http://www.spiegel.de/dienste/spiegel-online-schalten-sie-den-adblocker-bitte-ab-a-888158.html
[2] http://adblockplus.org/de/
[3] http://irights.info/
[4] http://www.surfer-haben-rechte.de
[5] http://twitter.com/frank_rieger/status/333873435514126336

AUTOREN

Staib
Ralf Pauli

TAGS

Werbung
Zeit Online
Adblocker
Süddeutsche Zeitung
Der Spiegel
Schwerpunkt Zeitungskrise
Internet
Verschlüsselung
Handelsblatt
Adblocker
Adblocker
Werbung
Adblocker
Tracking
re:publica
Huffington Post
Bundesrat
Leistungsschutzrecht

ARTIKEL ZUM THEMA

Kampf gegen Online-Adblocker: Hier sollte Ihre Werbung stehen

Millionen Nutzer nutzen Werbeblocker. Medienhäuser bekämpfen Adblock Plus. Keine Werbung bedeutet für sie keine Einnahmen.

Ranking der Internetkonzerne: Privatsphäre mangelhaft

Konzerne geben wenig auf Nutzerrechte, zeigt die Studie einer Non-Profit-Organisation. Selbst die Nummer eins schneidet nicht gut ab.

Klage gegen Werbeblocker verloren: Da geht noch was!

Adblock Plus hat eine Klage zweier Medienhäuser abgewendet. Es darf weiterhin Geld von Internetanbietern für die Aufname als „akzeptable Werbung“ verlangen.

Kolumne Nullen und Einsen: Das sind ja drei Wünsche auf einmal!

Online-Werbung kann nerven, klar. Die kleingeistige Abgreifermentalität vieler Internetnutzer kann aber noch viel mehr nerven.

Google und Werbeblocker „Adblock Plus“: 25 Millionen für die Freischaltung?

Mit „Adblock Plus“ lässt sich Werbung auf Websites abschalten. Nun heißt es, Google habe 25 Millionen Dollar gezahlt, um die Blockade zu umgehen.

Wirksamkeit von Werbung: Wer knabbert, kauft nicht

Kauen verhindert die Aufnahme von Reklamebotschaften. Wer also im Kino mit der Snacktüte raschelt, ist klar im Vorteil. Das hat neurologische Gründe.

Streit um Werbeblocker „Adblock Plus“: Das Geschäft mit der Nicht-Werbung

Mit der Anwendung „Adblock Plus“ kämpft eine Firma gegen Werbung im Netz. Damit verdient sie sogar Geld – ein schräges Geschäftsmodell.

Schutz gegen Tracking: Spione kommen hier nicht rein

Werbedienste sammeln heimlich Daten über unser Surfverhalten. Die Tracking Protection List des Fraunhofer-Instituts kappt die Verbindung zu den Schnüffel-Websites.

Konferenz „Re:publica“ in Berlin: Denkt denn keiner an die Kinder?

Die gleichen Wortführer wie in den vergangenen Jahren, aber ohne zündende Ideen: Die digitalen Bürgerrechtler brauchen dringend Nachwuchs.

„Huffington Post“ in Deutschland: Nachrichten für alle und umsonst

Die „Huffington Post“ steht in der Kritik, weil sie ihre Autoren nicht bezahlt. Nun bekommt die Nachrichtenplattform auch in Deutschland einen Ableger.

Anträge im Bundesrat: Feigheit vor den Verlagen

Bei Betreuungsgeld und Homo-Ehe nutzen SPD und Grüne ihre neue Mehrheit. Wo es drauf ankäme, nämlich beim Leistungsschutzrecht, kneifen sie aber.

Leistungsschutzrecht beschlossen: ABM für Rechtsanwälte

Der Bundestag hat das umstrittene Leistungsschutzrecht beschlossen. Eine unklare Formulierung dürfte die Gerichte beschäftigen und kleine Verlage schwächen.