taz.de -- Kommentar Österreichs Truppenabzug: All Austria!

Im österreichischen Wahlkampf mag man sich nicht mit gefährdeten Soldaten auf den Golanhöhen belasten. Derartige Charakterlosigkeit passt gut nach Europa.
Bild: Sie sorgen für Österreichs Sicherheit: Bundesheer-Soldaten bekämpfen die Wassermassen der Melk.

Wenn man in Wahlkampfzeiten durch Österreich fährt, kann man durchaus den Eindruck gewinnen, das Land der Berge befinde sich in einem dauernden Kriegszustand. Die Plakate der Parteien übertrumpfen sich mit Warnungen vor und harten Maßnahmen gegen (in dieser Reihenfolge): Ausländer, kriminelle Ausländer, den Sozialstaat ausnehmende Ausländer.

Der Österreicher hat es gern einheitlich, all die Sinowatze, Prohaskas und Kreiskys bleiben am liebsten unter sich – und wenn es ungemütlich wird, zieht er sich wie eine empfindliche Schnecke in seine Alpenfestung zurück.

Am 29. September wählen die Österreicher also einen neuen Nationalrat. Da will man sich in der üblichen Themenwahl nicht stören lassen. Wo käme man hin, wenn man statt über räuberische „Tschuschen“ über das Für und Wider des Einsatz der österreichischen Blauhelmsoldaten in der UN-Pufferzone auf den Golanhöhen reden müsste – oder sogar über mögliche Opfer?

Nein, nun da die 39 Jahre ruhigst verlaufene „Sunshine-Mission“ sich in eine verwandelt, die tatsächlich den Einsatz von Soldaten nötig machte, [1][werden die Truppen abberufen]. Das mag man feige finden – politisch: Denn dass Soldaten sich freuen, wenn sie aus einem hochriskanten Einsatz im Kreuzfeuer der syrischen Aufständischen und der Assad-Truppen abberufen werden, kann ihnen niemand vorwerfen.

Der Österreicher sagte einst der Diplomat Erwin Brix, vereinige idealtypisch die Charaktereigenschaften aller Europäer in sich – und dazu seine eigene Charakterlosigkeit. Im Syrien-Konflikt zeigt sich nun eben diese als Haupteigenschaft der handlungsunfähigen Europäer: Inzwischen sind wir alle Österreicher.

7 Jun 2013

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Ambros Waibel

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