taz.de -- EU streitet über Genmais-Import: Im Zweifel für Monsanto
Der Saatgut-Konzern Monsanto will Gen-Mais in die EU einführen. Weil sich die EU-Länder nicht über die Zulassung einigen können, wird wohl Brüssel entscheiden. Mit Ja.
BERLIN taz | Die EU-Kommission wird aller Wahrscheinlichkeit nach einen besonders stark gentechnisch veränderten Mais für den Import nach Europa zulassen. Bei einer Abstimmung der Mitgliedsstaaten am Montagabend in Brüssel fand sich weder eine ausreichende Mehrheit für noch gegen den SmartStax-Mais der Hersteller Monsanto und Dow AgroSciences. „In ein paar Wochen wird sich der Berufungsausschuss damit befassen. Das wird Copy and Paste sein. Am Ende stellt die EU-Kommission wohl die Zulassung aus“, sagte Frédéric Vincent, Sprecher der Behörde, der taz. Nach diesem Muster laufen diese Verfahren seit Jahren ab.
Der SmartStax-Mais ist widerstandsfähig gegen gleich zwei Unkrautvernichtungsmittel und produziert Gifte gegen sechs Schädlinge. Um das zu erreichen, sind ihm acht fremde Gene eingepflanzt worden.
Das ist neu, denn alle bisher zugelassenen Gentech-Pflanzen waren deutlich weniger verändert, die meisten hatten nur ein fremdes Gen bekommen. Kritiker halten die Pflanze deswegen für besonders gefährlich. Umweltschützer mobilisierten deshalb in den vergangenen Tagen so stark gegen die Importzulassung wie selten zuvor bei einer Gentech-Pflanze und riefen zu Protest-E-Mails an die deutsche Agrarministerin Ilse Aigner (CSU) und den zuständigen EU-Verbraucherschutzkommissar Tonio Borg auf.
Vor anderthalb Wochen hatte Monsanto angekündigt, vorerst keine Zulassungen für den Anbau neuer Gentech-Pflanzen in Europa beantragen zu wollen. Der Import ist davon allerdings nicht berührt, theoretisch können solche Pflanzen also in Futter- und Lebensmitteln wieder auftauchen. Den Antrag für die Einführung von SmartStax in die EU hatte das Unternehmen 2008 eingereicht.
Da die Industrie gentechnisch veränderte Nahrungsmittel in der EU entsprechend kennzeichnen muss und die meisten Verbraucher diese Technologie ablehnen, geht es zumindest in der Praxis derzeit nur um die Verwendung als Tierfutter.
Gefahr für die Artenvielfalt
##
„Aber die ganzen Import-Zulassungen der EU führen dazu, dass zum Beispiel in Brasilien immer mehr gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut werden“, sagte Christoph Then, Geschäftsführer des Gentech-kritischen Vereins Testbiotech. Tatsächlich erhält die EU dem Verband der ölsaatenverarbeitenden Industrie in Deutschland zufolge 66 Prozent ihrer Futterrohproteine aus Nord- und Südamerika. 80 Prozent der Importe sind gentechnisch verändert, schätzt der Deutsche Verband Tiernahrung.
In den Herkunftsländern ermöglichen Sorten wie SmartStax es den Farmern, über Jahre hinweg die gleichen Pflanzen auf denselben Feldern anzubauen. Zwar wachsen die Bestände von Schädlingen in solchen Monokulturen mit der Zeit stark an, aber die Gentech-Pflanzen produzieren ja ständig ein Gift gegen die Insekten. Zusätzlich können die Landwirte jede Menge Unkrautvernichtungsmittel benutzen, weil die Pflanzen gegen diese Chemikalien resistent sind. Die Folge: Andere Pflanzenarten sowie Tiere sterben, die Artenvielfalt sinkt. „Das ist nicht nachhaltig“, kritisiert Then.
Umweltschützer befürchten auch, dass die Lebensmittelwirtschaft in der EU irgendwann doch Gentech-Pflanzen verwenden wird – etwa wenn der Widerstand in der Gesellschaft schwächer werden sollte. „Dabei sind die Risiken für Mensch und Umwelt des SmartStax-Maises nicht ausreichend untersucht.“ Die Hersteller hätten keine Ergebnisse von Fütterungsversuchen zu den gesundheitlichen Risiken vorgelegt. Monsanto und Dow AgroSciences äußerten sich trotz Anfrage nicht zu den Vorwürfen.
11 Jun 2013
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Die Kanzlerin hofft offenbar, dass sich Menschen genauso leicht manipulieren lassen wie Maisgene. Aber diesmal hat sich Angela Merkel möglicherweise verzockt.
Schon 2014 könnte genetisch veränderter Mais angepflanzt werden. Die EU-Kommission hat den Weg frei gemacht. Dabei war die Gen-Kartoffel ein Flop.
Seit langem wehrt sich Frankreich gegen Genpflanzen. Jetzt aber macht das oberste Gericht in Paris den Weg frei für die Gensaat. Der Streit geht in die nächste Runde.
Die Varroa-Milbe bedroht Honigbienen und vernichtet ganze Bienenvölker. Monsanto will den Schädling mit Mitteln der Gentechnik bekämpfen und erntet Kritik.
Der US-Agrarkonzern kündigt an, in der EU keine Zulassungen mehr für neue Genpflanzen zu beantragen. Kritiker halten das für einen üblen Trick.
In Europa sind genetisch veränderte Pflanzen nicht besonders beliebt. Der US-Konzern Monsanto hat alle Anträge auf Anbau-Zulassung in der EU zurückgezogen.
Fischfutter darf jetzt eine zehnmal höhere Dosis des Pestizids Endosulfin enthalten als bisher. Forscher warnen vor dem Verzehr von Fisch und vor Konsumententäuschung.
Die Weizenpreise fielen kurzzeitig wegen der Entdeckung von Gen-Weizen in den USA. Nun klagt ein Farmer gegen den Saatgutkonzern Monsanto.
In Oregon wurden auf einem Acker illegale Gentech-Pflanzen des Monsanto-Konzerns entdeckt. Mehrere Länder stoppen deshalb ihre Weizenimporte aus den USA.
Der US-Saatgutkonzern kämpft nicht mehr dafür, dass seine Gen-Pflanzen in Europa angebaut werden dürfen. Gentech-Gegner suchen sich andere Themen.