taz.de -- Kommentar Arme Familien: Singen, basteln und vorlesen

Die Familienpolitik der Regierung stimmt, nur die Menschen sind zu blöd: Ministerin Kristina Schröder offenbart ihre Erziehungsdefizite.
Bild: Geht doch ganz einfach. Franzi van Almsick macht's vor

Zynischer kann man wohl nicht sein: Wenn Eltern ihren Kindern jeden Tag etwas vorlesen, vorsingen oder mit ihnen basteln, dann sind „die negativen Effekte von familiärem ökonomischem Druck auf die Kinder wissenschaftlich nicht feststellbar“. Rums. Genau so sagte das Familienministerin Kristina Schröder am Donnerstag [1][bei der Vorstellung der Evaluation sämtlicher familienpolitischer Leistungen].

Zugespitzt formuliert läse sich dieser Satz auch so: Wenn ein Kind nicht mit zur Kita-Fahrt kann, weil die Eltern das nicht bezahlen können, dann singen sie ihrem Sprössling einfach ein Seemannslied vor – und schon fühlt es sich wie am Meer.

Nun ist unbestritten, dass Vorlesen und Spielen zum kindlichen Wohlbefinden beitragen. Auch, dass das die Folgen von Armut lindern kann. Aber bekämpfen kann elterliche Fürsorge – die wohlgemerkt selbstverständlich sein sollte – materielle Not wohl kaum.

Das schaffen Eltern nur mit ordentlich bezahlter Erwerbsarbeit. Dort, wo es die nicht gibt, springt der Staat ein: Hartz IV, Wohngeld, Unterhaltsvorschuss.

Lügt die OECD?

Über 150 sogenannte familienpolitische Leistungen gibt es in Deutschland, die lässt sich der Staat jedes Jahr 200 Milliarden Euro kosten. So viel Geld gibt kein anderes Land in Europa für seine Familien aus. Aber weil diese Summe trotzdem nicht in jedem Fall dazu beiträgt, dass Familien ein gutes Leben haben, dass mehr Kinder geboren werden und Mütter die gleichen Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben wie Männer, lohnt ein genauerer Blick in den Fördertopf. Doch die jetzt vorgelegten Ergebnisse lassen einen verwundert die Augen reiben: Alles prima mit der Familienpolitik. Kindergeld, Vätermonate, Elterngeld, Ehegattensplitting – alles „erfolgreich“.

Lügen all die Experten, darunter jene von der OECD, die festgestellt haben, dass es weniger die monetären Leistungen sind, die Familien brauchen, sondern vor allem eine gute Infrastruktur, ordentliche Schulen und flexible Arbeitgeber? Haben Eltern merkwürdige Wünsche, wenn sie lieber den Kitaplatz nehmen als das Betreuungsgeld?

Und dann dieses Gerede von der „Wahlfreiheit“. Die Union wolle den Menschen nicht vorschreiben, wie sie zu leben haben. Das würden die, mal ganz nebenbei, auch gar nicht mit sich machen lassen. Aber sie sind es leid zu hören, dass die Politik stimmt, die Menschen das nur noch nicht richtig verstanden haben.

20 Jun 2013

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[1] /Studie-zur-deutschen-Familienpolitik/!118490/

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Simone Schmollack

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