taz.de -- Sonntaz-Streit zum Tag des Kusses: Knutsch-Armeen gegen Polizisten

Küssen macht schlank und beugt Falten vor, glaubt Dorothee Bär von der CSU – und ist deswegen für öffentliches Knutschen. Andere widersprechen.
Bild: Knutschen die einfach vor allen Leuten! Der Security-Mann im Hintergrund macht da lieber die Augen zu.

Dorothee Bär, familienpolitische Sprecherin der Union im Bundestag, hat das Knutschen in der Öffentlichkeit verteidigt. Küssen sei wichtig und gesund, sagt sie in einem Gastbeitrag für den sonntaz-Streit anlässlich des Tag des Kusses am 6. Juli. „Man verbraucht Kalorien, baut Stress ab und beugt Falten vor.“ Sie plädiert für Toleranz: „Es sollte auch hier die abgewandelte liberalitas bavariae gelten: Leben und küssen lassen.“

Sebastian Krumbiegel, Sänger der Band „Die Prinzen“ und berühmt geworden mit dem Lied „Küssen verboten“, träumt von Kuss-Armeen, die Polizisten charmant davon abhalten, auf Demonstrationen Menschen zu verprügeln.

Zumindest war das der Vorschlag einer älteren Dame, mit der er dieses Thema erörtert hat. „Sie sollen sich doch in der Öffentlichkeit küssen, die Leute. Das ist besser, als wenn sie Autos anzünden“, habe sie gesagt. Er stimme ihr zu, schrieb Krumbiegel im sonntaz-Streit und gab ein „klares Votum für öffentliche Knutscherei wann und wo auch immer...“

Gernot Hassknecht, Kunstfigur in der ZDF-Satiresendung „heute show“, findet am öffentlichen Knutschen überhaupt keinen Gefallen. Er würde am liebsten festlegen lassen, dass „das nur attraktive Menschen unter 30 dürfen“. Einziger Haken: „Wir leben ja nun mal leider in einem freien Land“. Noch viel widerlicher allerdings findet er „diese verlogenen Wangen-Bussis“ unter Politikern: „Wenn Merkel dem Obama die Rübe ableckt, obwohl sie stinksauer auf ihn sein müsste, weil er immer ihre Mails an Seehofer mitliest.“ Das sei „verdammte Heuchelei“.

„Küssen ist gut. Küssen ist richtig. Küsst öfter. Alle. Egal in welcher Konstellation“, kontert Chio Schumacher, taz-Leserin. Sie wird manchmal ein wenig romantisch, wenn sie ein Paar sieht, das sich küsst - und beklagt, dass man viel öfter Paare sehe, „die sich ankeifen oder nichts zu sagen haben“.

Mehr Liebe auf der Straße

Leona Johannson vom „Fuck for Forest“-Kollektiv, das Ökopornos dreht, findet die Gesellschaft prüde: „Sex zwischen Tieren ist Natur. Menschen, die in der Natur Sex haben, können Probleme mit dem Gesetz bekommen, wenn sie nicht vorsichtig sind.“ Das Leben sei zu kurz, um es nicht zu genießen, schreibt sie. „Also verbreitet bitte mehr Liebe auf der Straße - mit Hilfe von Knutschen und Liebemachen... Vielleicht lassen sich die Leute davon inspirieren und machen mit bei der Love-Revolution.“

Der Vorsitzende der Deutschen Knigge-Gesellschaft Hans-Michael Klein empfiehlt für öffentlichkeitsverträgliches Knutschen: „Knutsche stets so, dass die Maxime deines Knutschens allzugleich als Grundlage für die Anwesenheit deiner Mutter dienen könnte.“

Der taz-Leser Manfred Hoeh schickte uns per E-Mail ein Gedicht über öffentliche Küsse auf einem Spielplatz in Frankfurt: „Sonntag Nachmittag im Park Heinrich-Kraft um vier, mit einem Weib an der Hand ich hier herum spazier’. Über den gut hergerichteten Spielplatz wandeln wir, ach, gern würd ich dich mitnehmen nach Haus zu mir. Zwischen uns sind starke Sympathien entbrannt, während unweit der Baustart zum Riederwaldtunnel entstand. Dann, unter der Eiche legen wir uns ins Moos, im Grün um uns bei moderater Besucherzahl was los.“

Die sonntaz-Frage „Darf man öffentlich knutschen?“ diskutierten außerdem Wolfgang Schmidbauer, Psychoanalytiker, und Jess Jochimsen, Autor und Fotograf des Bildbandes „Liebespaare bitte hier küssen!“ - in der taz.am wochenende vom 6./7. Juli. 2013.

6 Jul 2013

AUTOREN

Frank

TAGS

Kuss
Liebe
Küssen
Küssen
Japan
Malaria
Ankara

ARTIKEL ZUM THEMA

Neue Studie über romantisches Küssen: Knutschen ohne Hintergedanken

Bisher nahmen Forscher an, dass überall gleich geküsst wird. Laut einer neuen Studie küssen sich nur 46 Prozent der Menschen „romantisch-sexuell“.

Der Sonntaz-Streit: Darf man öffentlich knutschen?

Eng umschlungen im Café schmusen, sich auf der Straße küssen, Zunge im Bus: Wie weit geht unsere Toleranzgrenze beim Knutschen?

Neuer Trend unter japanischen Schülern: Leck mich doch am Auge

Erst auf den Mund, dann ins Auge. Japans SchülerInnen lieben es, sich gegenseitig den Augapfel zu lecken. Folge des Okularverkehrs: viele Bindehautentzündungen.

Die Wahrheit: Blaues Wunder

Donnerstag ist Gedichtetag auf der Wahrheit-Seite. Heute darf sich die Leserschaft an einem Poem über einen wunderbaren Küsser erfreuen.

Öffentliches Kiss-In in Ankara: Verstoß gegen moralische Ordnung

Mit Messern ging in Ankara eine Gruppe von Islamisten gegen TeilnehmerInnen einer Küss-Aktion vor. Obwohl die Polizei daneben stand, wurde ein Jugendlicher verletzt.

Kolumne Politik von unten: Ideologisches Knutschverbot

Wie das Wirrwarr privaten Politisierens linke WGs ausleiern kann. Bis Küssen in der Küche verboten wird.