taz.de -- Vorgehen gegen den „Guardian“: „Rote Linie überschritten“

Die Bundesregierung zeigt sich schockiert über das Vorgehen der britischen Regierung gegen den „Guardian“. Auch im Weißen Haus in den USA ist man irritiert.
Bild: Das Redaktionsgebäude des „Guardian“ in London.

BERLIN/WASHINGTON ap/afp/rtr | Die Bundesregierung hat scharfe Kritik am harschen Vorgehen der britischen Behörden gegen das Londoner Enthüllungsblatt The Guardian geübt. Die von Herausgeber Alan Rusbridger geschilderten Vorgänge über die [1][erzwungene Vernichtung von Dokumenten] des früheren US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden hätten ihn erschüttert, sagte der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning (FDP), der Berliner Zeitung. „Da ist die rote Linie überschritten worden.“ Er mache sich Sorgen um den Zustand der Presse- und Meinungsfreiheit in Großbritannien.

Auch die Art und Weise, wie die Behörden den Lebenspartner des Guardian-Journalisten Glenn Greenwald auf dem Londoner Flughafen Heathrow festgehalten haben, hält Löning für nicht akzeptabel. „Dies ist geschehen auf Grundlage eines Anti-Terror-Gesetzes. Eine Verbindung kann ich aber nicht erkennen.“

SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte dem Kölner Stadt-Anzeiger, er halte wegen der Vorgänge ein Eingreifen der Europäischen Union für möglich. Falls die Briten keine Konsequenzen aus den Vorfällen zögen, müsse sich die EU-Kommission und das EU-Parlament damit befassen.

Die USA haben zurückhaltend auf das Vorgehen der britischen Regierung reagiert. Auf die Frage, ob die USA jemals die Zerstörung von Computer-Festplatten eines amerikanischen Medienunternehmens anordnen würden, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Josh Earnest, am Dienstag: „Es ist sehr schwierig, sich ein Szenario vorzustellen, bei dem das angemessen wäre.“

Großbritanniens Premierminister David Cameron soll nach einem Bericht der Zeitung The Independent persönlich veranlasst haben, Druck auf die Redaktion des Guardian auszuüben. Demnach hatte Premierminister Cameron den Leiter seines Cabinet Office, Jeremy Heywood, beauftragt, den Guardian zu kontaktieren. Regierungskreise bestätigten der Zeitung den Kontakt. Es habe sich jedoch nicht um eine Bedrohung gehandelt.

21 Aug 2013

LINKS

[1] /Britische-Geheimdienste-in-NSA-Affaere/!122146/

TAGS

The Guardian
David Cameron
Edward Snowden
Schwerpunkt Pressefreiheit
Großbritannien
Schwerpunkt Überwachung
USA
Edward Snowden
The Guardian
NSA
Guardian
Schwerpunkt Pressefreiheit
Glenn Greenwald
David Miranda
Geheimdienst
Alan Rusbridger

ARTIKEL ZUM THEMA

Überwachung des US-Geheimdienstes: NSA spionierte Vereinte Nationen aus

Laut „Spiegel“ hat der US-Geheimdienst auch die UN-Zentrale in New York abgehört. Dabei sollen die Chinesen beim Mitspionieren ertappt worden sein.

Britische Überwachung in Nahost: GCHQ zapft Unterseekabel an

Der NSA-Whistleblower Snowden enthüllt eine geheime Späh-Basis in Nahost. Ein Medienbericht spricht von einem umfassenden Zugriff auf die Kommunikation der Region.

„Guardian“-Affäre in Großbritannien: Europarat verlangt Erklärungen

Der Europarat fordert Aufklärung in der „Guardian“-Affäre. Unterdessen will die Zeitung ihre Arbeit stärker in die USA verlagern – um Druck aus London zu entgehen.

NSA späht Millionen US-Mails aus: Ups, war keine Absicht

Geheim, geheim: Ein Geheimgericht hat anhand von geheimen Dokumenten festgestellt, dass der Geheimdienst NSA „irrtümlich“ illegal Daten sammelte.

„Guardian“-Redakteur über Zerstörung: „Cameron schickte hohen Beamten“

Richard Norton-Taylor spricht über den Druck von Regierung und Geheimdiensten auf den „Guardian“ und sagt, weshalb das Blatt die Festplatten zerstörte.

FDP-Politiker über Pressefreiheit: „Wir brauchen mutige Menschen“

Nach den Repressalien gegen Journalisten in Großbritannien sieht Menschenrechtsbeauftragter Löning die Bevölkerung gefordert. Auch in Deutschland.

Beschlagnahmte Enthüllungsdaten: Dateien sind verschlüsselt

Die beim Partner des „Guardian“-Journalisten Greenwald einkassierten digitalen Daten sind für die Behörden offenbar unleserlich. Das berichtet „Zeit Online“.

Nach stundenlanger Vernehmung: David Miranda klagt gegen Verhör

Der Lebenspartner des „Guardian“-Journalisten will gegen das Verhör am Flughafen juristisch vorgehen. Er fordert zudem die Rückgabe seines beschlagnahmten Materials.

„Guardian“ und Geheimdienste: Wann beginnt die Selbstzensur?

Jetzt erst Recht! Statt den Schaden zu begrenzen, haben die britischen Behörden mit der Festnahme von David Miranda eine Eskalation erwirkt.

Britische Geheimdienste in NSA-Affäre: „The Guardian“ unter Druck

Der Chefredakteur des „Guardian“ berichtet von massivem Druck. Er spricht von einem der „bizarrsten Augenblicke“ in der Geschichte des Traditionsblattes.