taz.de -- Kommentar Organspendeskandal: Der Wert der Solidarität

Das Vertrauen in die Transplantationsmedizin ist futsch. Schuld daran ist aber nicht das Fehlverhalten einzelner Ärzte. Sondern das Versagen des Gesetzgebers.
Bild: Wer bekommt ein Organ, wer nicht? Über die Vergaberegeln muss der Gesetzgeber entscheiden.

Zu Recht haben die Menschen im Land kein Vertrauen mehr in ein System, das von falschem Wettbewerbsdenken und ärztlicher Hybris geprägt ist. Nach der manipulierten Vergabe von Spenderorganen an mehreren Universitätskliniken zweifeln sie an jener Frage, die zentral ist für jede altruistische Entscheidung: der Frage nach der Gerechtigkeit.

Mit der Uniklinik Münster ist nun ein weiteres Transplantationszentrum in den Kreis der systematischen Betrüger gerückt. Und was machen der Bundesgesundheitsminister, der Präsident der Bundesärztekammer und die anderen Akteure des selbst verwalteten Gesundheitswesens? Sie reden das Problem weiter klein. Dank ihrer Minireformen – ein bisschen Mehraugenprinzip, ein wenig Register, dazu ein leicht verschärftes Transplantationsgesetz – werde die Welt der Organe ja schnell wieder gesund.

Doch das Gegenteil ist der Fall. Die Politik begreift nicht, dass der Krise in der Organspende mehr als nur Fehlverhalten Einzelner und Ressourcenknappheit zugrunde liegen. Die Krise ist strukturell. Denn die brutale Frage, wer ein Organ erhält und wer nicht, kann im Rechtsstaat nur eine Institution beantworten: der Gesetzgeber. Das Parlament aber weicht aus. Es etikettiert die Gerechtigkeits- zur medizinischen Frage um und überantwortet sie feige der Bundesärztekammer.

Der fehlt nun jede demokratische Legitimation, und das rächt sich: Die Richtlinien der Ärzte sind intransparent und vermutlich kaum juristisch belastbar. Wer diese Zustände ändern will, der muss – so berechtigt Strafverfahren im Einzelfall sind – zuerst eine gesellschaftliche Debatte führen. Darüber, was uns die Solidarität mit Kranken wert ist.

4 Sep 2013

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Heike Haarhoff

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