taz.de -- Kommentar Notenbanken: Die Spekulanten regieren

Die Zentralbanken sind hilflos. Sie müssen sich der Macht der Devisenspekulationen beugen. Ein Ausweg ist kaum in Sicht.
Bild: Es ist Wahnsinn, dass der indische Leitzins steigt, denn hohe Zinsen würgen das schwache Wachstum ab – indische Rupie.

Vier Billionen Dollar kreisen täglich um den Erdball, um mit Währungen zu spekulieren. Gegen diese Geldfluten sind die Notenbanken machtlos, obwohl so gern behauptet wird, sie seien „unabhängig“. Doch in Wahrheit haben längst die Spekulanten das Sagen, während die Zentralbanker Getriebene sind.

Dass längst die Spekulanten regieren, zeigte sich erneut vergangene Woche: Am Mittwoch verkündete US-Notenbank-Chef Ben Bernanke, dass er die Langfristzinsen weiter nach unten drückt. Am Freitag folgte der indische Notenbank-Chef Raghuram Rajan und ließ verlauten, dass er den indischen Leitzins auf 7,5 Prozent erhöht.

Um bei Indien zu beginnen: Es ist Wahnsinn, dass der indische Leitzins steigt, denn hohe Zinsen würgen das schwache Wachstum ab. Aber Rajan hatte gar keine Wahl. Er musste den Zins steigen lassen, um das ausländische Geld im Land zu halten. Eine panische Flucht der Spekulanten wäre für Indien sogar noch gefährlicher als miese Wachstumsraten: Die Rupie würde gänzlich abstürzen, die Inflation würde weiter steigen, und viele Unternehmen wären pleite, weil sie die Kredite nicht mehr bedienen könnten, die sie in Dollar aufgenommen haben.

Den gleichen Zwängen unterliegt Bernanke – nur umgekehrt. Wenn er keinen Crash in den Schwellenländern provozieren will, muss er die US-Zinsen niedrig halten. Denn sobald diese steigen, würden die Spekulanten ihr Geld in die USA schaffen und aus der restlichen Welt abziehen.

Wenn die Zentralbanken nicht machtlos bleiben wollen, müssen sie das eigentliche Problem angehen: vier Billionen Dollar, die täglich in die Devisenspekulation fließen.

22 Sep 2013

AUTOREN

Ulrike Herrmann

TAGS

Finanzmarkt
Indien
Währungsspekulationen
Fed
US-Notenbank
Soziale Spaltung
EZB
USA
Fed
Janet Yellen
US-Notenbank

ARTIKEL ZUM THEMA

Verzerrte Verbraucherpreise: Mehr Porsche als Suppenküche

Wieder wird das Statistische Bundesamt eine niedrige Inflationsrate präsentieren. Doch die Berechnung ignoriert die soziale Spaltung in Deutschland.

Europäische Zentralbank senkt Leitzins: Noch billigeres Geld für Europa

Die EZB verschärft ihren Krisenkurs. In einem historischen Schritt machen die Währungshüter das Geld im Euroraum billig wie nie.

Janet Yellen als Fed-Chefin nominiert: Eine Frau wird US-Notenbankchefin

Die „Taube“ Janet Yellen wird Nachfolgerin des US-Notenbankchefs Ben Bernanke. Die bisherige Vizepräsidentin wird ihr Amt am 1. Februar 2014 antreten.

Kommentar FED: Und wieder wächst die Blase

Die US-Notenbank behält ihre lockere Geldpolitik bei und hält damit die Party am Laufen. Statt Blase sagt man jetzt eben „Vermögenspreisinflation“.

Designierte US-Notenbankchefin: Unerschrocken und klug

Janet Yellen ist nach dem Rückzug des bisherigen Favoriten wohl die nächste Chefin der Fed. Sie hatte als Erste die Finanzkrise als Rezession bezeichnet.

Kommentar US-Notenbank: Wenig Luft nach oben

Beim Zinsniveau diktiert die Wirtschaft der US-Notenbank den Handlungsrahmen. Als Aufseher für die Wall Steet hingegen ist der Fed-Chefposten bedeutsam.