taz.de -- Geld wird umverteilt: Vom Glück verfolgt

Dem Zensus sei Dank: Schleswig-Holstein kann 50 Millionen Euro extra ausgeben. Doch nicht in allen Nordländern sieht es so rosig aus. Die Stadt Bremerhaven fühlt sich kleingerechnet und klagt nun gegen die Feststellungen. Auch Hamburg erleidet Einbußen.
Bild: Dem Zensus-Füllhorn sei Dank: die schleswig-holsteinischen JunglehrerInnen sollen bleiben können.

KIEL/HAMBURG taz | So macht Regieren Spaß: Rund 50 Millionen Euro zusätzliches Geld kann die schleswig-holsteinische Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) verteilen. Das Geld stammt aus dem Länderfinanzausgleich, der sich nach der jüngsten Bevölkerungszählung, dem im Mai veröffentlichten Zensus 2011, neu verteilt. Am Freitag setzten sich VertreterInnen der drei regierungstragenden Parteien SPD, Grüne und SSW zusammen, um den Kuchen zu verteilen.

In Schleswig-Holstein soll das Geld „nahezu komplett investiert“ werden, so SPD-Fraktions- und Landeschef Ralf Stegner: „Der Investitionsstau im Land wird Stück für Stück abgetragen.“ Für 23,5 Millionen werden Behörden-Gebäude modernisiert und der Husumer Hafen saniert, für neun Millionen Stellen für 75 Jung-Lehrer geschaffen, die im Land gehalten werden sollen.

Weitere größere Summen sind für Flüchtlingsunterkünfte und den Ausbau psychiatrischer Kliniken vorgesehen, darüber hinaus erhalten einzelne Theater, Kinos und Kulturzentren einmalige Zuschüsse. Ab 2015 dienen die Extra-Mittel aus dem Finanzausgleich dazu, die steigenden Gehälter und Pensionen von Landesbeamten zu bezahlen.

Eine „Wünsch dir was“-Liste sei das, kritisiert Tobias Koch (CDU): „Jede Regierungsfraktion durfte ihr Klientel bedienen.“ Seine Fraktion würde es lieber sehen, wenn das Geld in Straßenbau investiert würde – das Land leidet zurzeit vor allem unter der maroden Kanalbrücke der A7. Sie wird zwar aus dem Etat des Bundesverkehrsministers bezahlt, aber auch zahlreiche Landes- und Kreisstraßen sind überlastet und reparaturbedürftig.

Christopher Vogt (FDP) dagegen war neidisch: „Diese Koalition wurde in der Finanzpolitik bisher vom Glück verfolgt.“ Nachdem die schwarz-gelbe Vorgängerregierung Sparhaushalte erstellt und bei Frauenhäusern, Blinden und dänischen Schulen Mittel gestrichen hatte, haben SPD, Grüne und SSW Zuschüsse wieder aufgestockt und dank guter Konjunkturdaten den sogenannten Konsolidierungspfad der Schuldenbremse dennoch einhalten.

So wird Schleswig-Holstein laut dem Haushaltsentwurf im kommenden Jahr zwar 377 Millionen Euro Neuschulden aufnehmen, das sind aber 74 Millionen weniger als in diesem Jahr und unterschreitet damit die rechtlich zugelassene Obergrenze. Das Land hat in seiner Verfassung festgeschrieben, dass die Aufnahme neuer Schulden Jahr um Jahr gesenkt wird und ab 2020 gar keine neuen Schulden gemacht werden. Dann könnten spätere Regierungen beginnen, den Alt-Schuldenberg von rund 27 Milliarden Euro abzubauen.

Doch nicht alle Nordländer sind so glücklich mit dem Ergebnis des Zensus. Die Stadt [1][Bremerhaven will den Feststellungsbescheid gerichtlich prüfen lassen]. Sie bezweifelt die Höhe des dort bezifferten Einwohnerschwunds, wie der Leiter des Bremerhavener Bürger- und Ordnungsamts, Horst Keipke, erklärte. Der vom Zensus geschätzte Einwohnerschwund um 4.800 auf 108.139 Menschen geht vor allem darauf zurück, dass der Zensus 2.500 Menschen weniger ohne deutschen Pass zählte als das Amt in seinen Einwohnerberechnungen vermutete.

Insgesamt hat das Land Bremen allerdings zugelegt, um 0,4 Prozent auf rund 654.800 Einwohner. Das Land profitiert also auch von der jüngsten Zählung. Einen „Sondertopf mit Zensus-Mitteln“ ähnlich wie in Schleswig-Holstein werde es aber nicht geben, sagt die Sprecherin der Finanzbehörde, Dagmar Bleiker. Die Bremer Finanzbehörde geht davon aus, dass wegen des Haushaltslochs von dem Geld nichts übrig bleiben wird – insofern sei auch nichts zu verteilen.

Hamburg zählt dagegen zu den Verlierern des Zensus. Für 2011, 2012 und das laufende Jahr wird die Stadt zusammen 147 Millionen Euro weniger Steuern aus dem Länderfinanzausgleich einnehmen. Da in der Stadt 82.000 Menschen weniger leben als gedacht, wird der Stadtstaat künftig vom Nehmer- zum Geberland.

6 Oct 2013

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Geisslinger
Lena Kaiser

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