taz.de -- Kommentar Friedensnobelpreis: Eine grausame Entscheidung
Die Entsorgung der Chemiewaffen wird in Syrien keinen Frieden bringen. Aber sie hilft Assad, seinen Krieg gegen die Zivilbevölkerung fortzusetzen.
Alle sind zufrieden: Der Nobelpreis für das Anti-Chemiewaffen-Komitee der UNO ist prima, diesmal habe Oslo wieder die Richtigen erwählt. Thema abgehakt. Doch die Entscheidung hat Konsequenzen, und die sind blutig.
Die einsetzende Zerstörung von Chemiewaffen befördert den Frieden in Syrien nicht. Im Gegenteil. Die Auszeichnung für die UN-Inspektoren kommt einem der größten Warlords dieser Tage zugute: Baschar al-Assad. Indirekt zeichnet Oslo nämlich ihn aus, immerhin arbeite er so prima mit der Kommission zusammen. Und lässt unterdessen fleißig weiter bombardieren, und zwar nicht nur Rebellenstützpunkte, sondern Schulen, Krankenhäuser, Bäckereien und Wohngebiete.
Das Internationale Rote Kreuz wird nicht müde, auf die humanitäre Katastrophe in Syrien hinzuweisen und auch darauf, dass Assad Hilfsgüter nach Gutdünken an seine Anhänger verteilt. Auch das ist ein Verstoß gegen die Genfer Konvention, sie kümmert den Westen aber nicht.
Doch selbst wenn man sich nicht für die Lebenden interessiert, sondern dabei bleibt, Tote zu zählen, selbst dann stehen 100.000 konventionell Getötete (Aktivisten gehen inzwischen von 140.000 Toten aus) rund 1.400 Giftgasopfern gegenüber. Nur über Letztere zu sprechen, geht an der Situation also brutal vorbei.
Und die Lage wird immer schlimmer. Assad setzt längst nicht mehr auf Gas, sondern auf Hunger und Kälte. Quasi auf Biowaffen, wie auf Webseiten der Assad-Gegner bitter gescherzt wird. Diese werden weiteren Tausenden das Leben nehmen: Denn der nächste Winter steht bevor, und es fehlt an allem, auch an Brot und Brennmaterial. Viele haben ihre Holzmöbel schon 2012 verheizt. Die Zeit arbeitet für Assad – und der Westen mit seiner Fixierung auf die Chemiewaffen schenkt sie ihm.
13 Oct 2013
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Nach dem Willen des Stifters soll der Friedensnobelpreis eine Antikriegsauszeichnung sein. Die Praxis sieht anders aus. Das hat nun juristische Folgen.
Der Yale-Professor Robert J. Shiller erhält den Nobelpreis für Wirtschaft. Eine Ehrung für den Visionär, der die Finanzkrise vorhergesagt hatte.
Der Wirtschaftsnobelpreis geht an die US-Ökonomen Lars Peter Hansen, Eugene Fama und Robert Shiller. Gewürdigt wird ihre empirische Analyse von Aktienkursen.
In Nordsyrien wurden sieben Mitarbeiter des IKRK entführt, drei sind wieder auf freiem Fuß. Nahe Damaskus wurden Zivilisten evakuiert, andernorts gibt es weiter Kämpfe.
Die Organisation zum Verbot von Chemiewaffen bekommt den Friedensnobelpreis. Letztendlich ist diese Wahl eine gute Verlegenheitslösung.
Der Friedensnobelpreis geht in diesem Jahr erneut an eine Institution: die Organisation für das Verbot von Chemiewaffen, OPCW.