taz.de -- US-Geheimdienst NSA: Merkel bis in den Sommer überwacht
Obama soll die Überwachung vor wenigen Wochen beendet haben, heißt es. Im neuen Bundestag wird es voraussichtlich einen Untersuchungsausschuss geben.
BERLIN dpa/afp | US-Regierungsvertreter haben einem Medienbericht zufolge eingeräumt, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel bis in den Sommer hinein vom US-Geheimdienst NSA bespitzelt wurde. Präsident Barack Obama habe davon jedoch erst nach einer internen Untersuchung der US-Regierung erfahren, zitierte das Wall Street Journal (WSJ) online namentlich nicht genannte Regierungsvertreter.
Der Bundestag wird voraussichtlich einen Untersuchungsausschuss einsetzen, um die NSA-Abhöraffäre aufzuklären. Nach Linkspartei und Grünen verlangt dies auch die SPD.
Die im Sommer gestartete Prüfung der Regierung habe ergeben, dass die NSA rund 35 internationale Spitzenpolitiker überwache. Das Weiße Haus habe daraufhin einige Abhöraktionen gestoppt, darunter die gegen Merkel, gab das WSJ einen hochrangigen Regierungsvertreter wieder.
Die Untersuchung legt laut WSJ nahe, dass Obama annähernd fünf Jahre lang nichts von den Bespitzelungen der Politiker wusste. Laut dem Zeitungsbericht hat Obama die Überwachung von Merkel und anderen Staatsführern beendet, nachdem er vor wenigen Wochen über die Abhöraktionen erfuhr. Die Regierungsvertreter sagten der Zeitung, bei der NSA liefen so viele Lauschangriffe parallel, dass es kaum praktikabel wäre, Obama über alle zu informieren. Sie fügten hinzu, der Präsident bestimme zwar die Leitlinien der Informationsbeschaffung. Spezifische Ziele würden aber von nachgeordneten Stellen wie der NSA bestimmt.
In einer Reaktion auf den WSJ-Bericht bestätigte das Weiße Haus interne Untersuchungen über geheimdienstliche Abhörpraktiken in verbündeten Ländern, ging allerdings nicht auf Einzelheiten ein.
Obama will nichts gewusst haben
Deutschen Medienberichten zufolge soll Merkel seit etwa 2002 ein NSA-Aufklärungsziel sein. Der Geheimdienst dementierte einen Bericht der Bild am Sonntag, wonach NSA-Chef Keith Alexander Obama im Jahr 2010 über das Vorgehen gegen Merkel informiert habe. In mehreren Berichten hatte es geheißen, Obama habe Merkel bei einem Telefonat versichert, nichts über Spionagepraktiken gegen sie gewusst zu haben.
„Ein Untersuchungsausschuss des Bundestags, der Licht ins Dunkel bringt, ist unvermeidlich“, sagte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles der Bild-Zeitung (Montag). Dabei könne der frühere Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden, der die Affäre im Sommer mit seinen Veröffentlichungen losgetreten hatte, ein „wertvoller Zeuge“ sein. Snowden hat in Russland Asyl erhalten.
Nahles sagte zur Spähaffäre: „Diese Vorgänge sind unerträglich. Sie haben die Kraft, alle freundschaftlichen Bande zu zerstören, die uns immer mit den Vereinigten Staaten verbunden haben.“ Ähnliche Kritik kommt aus allen Parteien. Als „eklatant gestört“ bezeichnete etwa CSU-Chef Horst Seehofer im Donaukurier (Montag) das „Vertrauen zu unseren amerikanischen Freunden“.
Die Linke-Vorsitzende Katja Kipping sagte der Mitteldeutschen Zeitung: Obama „täte gut daran, schnell nach Deutschland zu kommen und sich vor dem Bundestag und der Öffentlichkeit für die massenhafte Spitzelei zu entschuldigen“.
Union will U-Ausschuss nicht verhindern
Ein Untersuchungsausschuss wäre auch ohne die SPD möglich, da die CDU/CSU diesen nicht verhindern würde. Fraktionschef Volker Kauder machte am Wochenende zwar deutlich, dass er gegen einen solchen Ausschuss ist. In der ZDF-Sendung „Berlin direkt“ fügte er allerdings hinzu: „Wenn die zwei kleinen Oppositionsparteien den Untersuchungsausschuss wollen, haben wir gesagt, lassen wir das zu.“ Eigentlich hätten Linke und Grüne nicht genügend Sitze im Bundestag, um einen Untersuchungsausschuss durchzusetzen.
Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach gab in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ zu bedenken, ein Untersuchungsausschuss müsste Zeugen aus den USA hinzuziehen können und bräuchte Akten und Urkunden zur Auswertung. „Ich fürchte, da werden wir nicht die Beweismittel haben, um das abschließend klären zu können.“
28 Oct 2013
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