taz.de -- Stand der Koalitionsverhandlungen: Höhere Steuern? Ach, egal

Die SPD löst sich von ihrer Forderung nach Steuererhöhungen und macht dafür mehr Druck bei der Frauenquote. Die EZB mahnt zu maßvoller Finanzpolitik.
Bild: Mahnt zum Konsolidierungskurs: EZB-Direktor Jörg Asmussen (links)

BERLIN dpa | Die SPD macht eine große Koalition nicht mehr von Steuererhöhungen abhängig. Das erklärte jetzt der SPD-Chefunterhändler in der Arbeitsgruppe Steuern und Finanzen, Norbert Walter-Borjans. „Wenn es eine andere Finanzierung für mehr Investitionen in Infrastruktur und Bildung, für bessere Renten und eine bessere Finanzausstattung der Kommunen gibt, wird die Koalition an der Steuerfrage nicht scheitern“, sagte der nordrhein-westfälische Finanzminister der Rheinischen Post vom Donnerstag.

Beim Dauerbrenner Frauenquote erhöhten die Sozialdemokraten den Druck auf die Union. „Ich erwarte, dass die Union sich jetzt bewegt“, sagte die Vize-Parteichefin und Co-Leiterin der AG Familie, Manuela Schwesig, der Nachrichtenagentur dpa.

Die SPD schlägt als Kompromiss vor, den Anteil weiblicher Führungskräfte in Aufsichtsräten stufenweise zu erhöhen. Aufsichtsräte sollen bis spätestens 2015 eine Quote von mindestens 25 Prozent aufweisen, ab 2018 von 30 Prozent und im Jahr 2021 von 40 Prozent. Die Union hatte in ihrem Wahlprogramm eine feste Quote von 30 Prozent im Jahr 2020 in Aussicht gestellt.

Die Europäische Zentralbank (EZB) mischte sich in die Koalitionsgespräche ein. Die Euro-Hüter – auf ihre eigene politische Unabhängigkeit stets bedacht - ermahnten Union und SPD, in der Finanz- und Wirtschaftspolitik auf Konsolidierungskurs zu bleiben. EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung: „Eine große Koalition rechtfertigt sich nicht durch große Ausgaben, sondern nur durch große Reformen.“

EZB-Direktor sieht 75-Milliarden-Lücke

SPD-Mitglied Asmussen, Ex-Staatssekretär und zuletzt zeitweise als möglicher Bundesfinanzminister gehandelt, beklagte eine Investitionslücke von etwa drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes, 75 Milliarden Euro im Jahr. Dabei gehe es um Verkehrswege, Schulen und Breitbandnetze. Beim Mindestlohn forderte der EZB-Direktor, die Lohnfindung zu „entpolitisieren“. So sollte es nach dem Beispiel Großbritanniens unabhängige Kommissionen geben.

Im Wahlkampf hatte die SPD vehement höhere Steuern für Spitzenverdiener gefordert. Die Union will das verhindern. Die Sozialdemokraten hoffen alternativ, zusätzliche Spielräume durch einen erfolgreichen Kampf gegen Steuerhinterziehung zu gewinnen.

Beim Steuerbetrug gehe es um mindestens 30 Milliarden Euro, bei der Steuervermeidung um 130 Milliarden pro Jahr. „Wenn es uns gelingt, von diesen großen Summen auch nur einen Teil in die Kasse zu bekommen, wäre das nur gerecht“, sagte Walter-Borjans.

14 Nov 2013

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