taz.de -- Statue in Györ: Radnoti-Denkmal zerstört

Unfall mit Fahrerflucht oder rechtsextremer Anschlag? Die Statue des ungarischen Lyrikers und Holocaust-Opfers Miklos Radnoti wurde beschädigt.
Bild: Die ungarische Stadt Györ bei Nacht.

BUDAPEST dpa | Unbekannte haben am Rande der westungarischen Stadt Györ das Denkmal des jüdischen Schriftstellers und Holocaust-Opfers Miklos Radnoti (1909-1944) zerstört. Die Statue wurde mit einem Fahrzeug gerammt, so dass sie umstürzte und in mehrere Stücke zerbrach. Das berichtete die in Györ erscheinende Tageszeitung Kisalföld am Montag.

Die Polizei fand den Wagen, einen schwarzen Mercedes, mehrere Kilometer entfernt in einem Straßengraben. Der Hintergrund des Vorfalls blieb zunächst unklar. Nach Angaben der Polizei in Györ könnte der Wagen wegen überhöhter Geschwindigkeit von der Fahrbahn abgekommen und gegen das Denkmal geprallt sein. Im Falle dieser Version hätte der Lenker des Fahrzeugs anschließend Fahrerflucht begangen. Bis Montagabend konnte er nicht ermittelt werden.

Zunächst war vermutet worden, dass der Zerstörung des Denkmals ein rechtsextremistischer beziehungsweise antisemitischer Hintergrund zugrunde liegt. In Ungarn sind Schändungen von jüdischen Friedhöfen und Holocaust-Gedenkorten nicht selten.

Das Radnoti-Denkmal stand an der Stelle, an der der Schriftsteller am 9. November 1944 bei einem Todesmarsch zusammen mit anderen jüdischen Gefangenen erschossen worden war. Zuvor war er Zwangsarbeiter in den Bergwerken von Bor im von Deutschland besetzten Serbien gewesen. Angehörige einer ungarischen Nazi-Miliz töteten Radnoti und die anderen, weil sie den Strapazen des Gewaltmarsches nicht mehr gewachsen waren.

Radnoti gilt als einer der wichtigsten Lyriker der ungarischen Moderne. Auf Deutsch erschienen von ihm die Bände „Gewaltmarsch“ (1979), „Monat der Zwillinge“ (1993) und „Offenen Haars fliegt der Frühling“ (1993). Er übersetzte auch aus dem Französischen.

Update, 20. November

Die Zerstörung der Statue des ungarisch-jüdischen Dichters Miklos Radnoti am Rand der westungarischen Stadt Györ war offenbar die Folge eines Unfalls. Ein 24-jähriger Mann, der mit seinem Wagen das Denkmal gerammt hatte, stellte sich der Polizei, berichtete die in Györ erscheinende Tageszeitung Kisalföld am Mittwoch.

Der Mann aus der nahen Kleinstadt Papa gab an, sich in der Nacht zum Sonntag auf der Suche nach einer Diskothek verfahren zu haben. Im Nebel sei er von der Straße abgekommen und mit dem Wagen gegen das Denkmal geprallt. Anschließend habe er „aus Schock“ Fahrerflucht begangen.

Die Stadtverwaltung von Györ kündigte an, das Denkmal wiederherstellen zu wollen. Der Bildhauer Miklos Melocco, von dem die Statue stammt, will bei der Reparatur behilflich sein oder das Kunstwerk notfalls neu schaffen.

19 Nov 2013

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