taz.de -- Linkspartei zur Europawahl: Ein entschlossenes Jein

In der Linkspartei kämpfen die Flügel um die richtige Linie zur EU. Parteichefin Katja Kipping warnt entschieden vor „einem Wettlauf mit der AfD“.
Bild: Katja Kipping will keinen EU-skeptischen Populismus

BERLIN taz | Die Linkspartei bringt sich für die Europawahl im Mai 2014 in Stellung. Das Führungsduo Katja Kipping und Bernd Riexinger präsentierte am Montag den 35-seitigen Programmentwurf, den ein Parteitag in zwei Monaten beschließen soll. Der Tenor: Viel Kritik an der EU, aber nicht aus Gegnerschaft, sondern um die EU zu verbessern.

Die Austeritätspolitik, so Riexinger, führe zu einer massiven Abwendung von Europa. Die Linkspartei wolle hingegen mit proeuropäischen Standpunkten gegen Kanzlerin Merkel agitieren – eine Art dialektischer Doppelschritt, mit dem der Vorwurf des Neonationalismus ebenso abgewehrt werden soll wie der, nur noch Realpolitik zu betreiben.

Die 15 Kernforderungen zielen vor allem auf mehr sozialen Ausgleich. So will die Partei Mindestlöhne und -renten in Höhe von 60 Prozent des nationalen Durchschnitteinkommens und eine Vermögensabgabe.

Streit gab es im Parteivorstand zwischen dem linksradikalen Flügel um Diether Dehm und den Pragmatikern. Umkämpft waren weniger konkrete Forderungen als die Tonalität. So wünscht sich Kipping „eine werbende Haltung“ ihrer Partei „für ein geeintes Europa“. Ihr schweben zudem EU-weite Volksentscheide am selben Tag zur selben Frage vor – für Kipping nachholende „Gründungsakte für Europa“. Für EU-skeptischen Populismus, so die Ansage, ist in der Linkspartei kein Platz.

Internationalistisch und Pro-EU

##

Der linke Flügel verweist indessen darauf, dass die Partei bei den Bundestagswahlen mehr als 300.000 WählerInnen an die Alternative für Deutschland verloren hat. Daher solle die Linkspartei in Konkurrenz zu deren scharfer Anti-EU-Rhetorik treten. Kippings Konter: „Wir können den Wettlauf mit der AfD in Sachen EU-Kritik nicht gewinnen.“

Dies gelte normativ, weil die Linkspartei internationalistisch und Pro-EU sei, und auch wahltaktisch, weil die AfD immer die extremere Forderung habe. Auch der westdeutsche Gewerkschafter Riexinger betonte, dass die Linkspartei weit mehr inhaltliche „Überschneidungen mit SPD und Grünen“ als mit der euroskeptischen AfD habe. Für „nationalpopulistische Parolen“ sei man nicht zu haben.

Im Vorwort finden sich gleichwohl an prominenter Stelle rüde Passagen, die AfD-ähnlich klingen. So hätten „die Raubzüge der Großbanken“ und „der Bürokratismus der wirtschaftlichen Eliten“ die EU zu „einer neoliberalen, militaristischen und weithin undemokratischen Macht“ verformt.

Der Europaparteitag findet Mitte Februar in Hamburg statt. Erwartet werden Änderungsanträge von Parteilinken und Pragmatikern. Die bisherige Auseinandersetzung im Vorstand um das Programm beschrieb Kipping als „hart“.

9 Dec 2013

AUTOREN

Stefan Reinecke

TAGS

Europawahl
Schwerpunkt AfD
Die Linke
Katja Kipping
Diether Dehm
Die Linke
Europawahl
Die Linke
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
Die Linke
Marine Le Pen
Grüne
Kritik
Piratenpartei
Frankfurt

ARTIKEL ZUM THEMA

Die Linke und Ukraine-Berichterstattung: Dehm sieht CIA am Werk

Der Linken-Abgeordnete Diether Dehm hat seine Äußerung über Medien in Geheimdiensthänden dementiert. Dennoch hätten CIA und BND großen Einfluss.

Führung der Linken: Kipping und Riexinger machtbewusst

Noch zwei Jahre: Katja Kipping und Bernd Riexinger haben angekündigt, sich im Mai beim Parteitag der Linken erneut um die Posten der Vorsitzenden zu bewerben.

Linkspartei vor Europawahl-Parteitag: Offener Hemdkragen gegen Leninbart

Gesinnungslinker Friedensaktivist oder pragmatischer Gewerkschafter? Im Rennen um Listenplatz zwei zeigt sich der Richtungsstreit in der Linkspartei.

Die Haltung der Linkspartei zur EU: „Neoliberal und militaristisch“

Vor dem Europawahl-Parteitag hat die Linke die härtesten EU-Kritiker in ihren Reihen weitestgehend eingehegt. Ganz verstummt sind sie nicht.

Vorbereitung für Rot-Rot-Grün: Eine Opposition für alle

Gysi und seine Parteikollegen geben sich vor dem Europaparteitag der Linken betont staatstragend. Sie geloben, nicht nur als Anti-SPD zu agieren.

Kommentar Europapolitik der Linkspartei: Das Elend der Traditionslinken

Teile der Linken verdächtigen die EU, imperialistisch und demokratiefeindlich zu sein. Das ist gedankenarm und geschichtsvergessen.

Wahlkampf der Rechten: Das blondierte Europa

Marine Le Pen und Geert Wilders ziehen gemeinsam in den EU-Wahlkampf. Im Hinterland von Nizza und am Markermeer liegen ihre Hochburgen.

Grüne streiten über Merkels Europapolitik: Aufgeschreckter Hühnerhaufen

Im Streit um die Haltung zu Merkels Krisenmanagement werden die Stimmen zahlreicher. Dem vermeintlichen Pro-Kanzlerin-Plädoyer fehle es an Inhalt.

Grüne streiten über Europapolitik: Merkel-Bashing nutzt Merkel

Cem Özdemir spielt die parteiinterne Kritik an der Europapolitik herunter. Der Eindruck ist aber ein anderer. Und die Kanzlerin profitiert von der Uneinigkeit.

Bundesparteitag der Piraten: Burn-out statt Punkrock

Eine ratlose Basis kürt in Bremen den Frankfurter Piraten Thorsten Wirth zum neuen Vorsitzenden. Viele Mitglieder sind ihrer eigenen Partei überdrüssig.

Blockupy-Protest europaweit: Es braucht mehr als luftige Worte

Die Suche nach grenzübergreifenden europäischen Gegenöffentlichkeiten ist mühsam. Jetzt gibt es Perspektiven: Die Aktivisten vernetzen sich.

Linke Parteiführung: „Sie kürzen zu viel“

Doris Achelwilm ist neue Landeschefin der Linken. Im Interview spricht sie über die Europawahl, Schuldenbremsen und eine Koalition mit der SPD.