taz.de -- Kommentar Europaparteitag der Piraten: Keine Kompetenz für Wirtschaft
Im Hinblick auf die Europawahl müssen sich die Piraten eingestehen: Zum Umgang mit der Wirtschafts- und Finanzkrise können sie wenig beisteuern.
Die Wirtschafts- und Eurokrise schwelt weiter – doch die Piraten bleiben stumm. Beim [1][Europaparteitag der Internetpartei] wurde selbst der Name der Gemeinschaftswährung Euro über Stunden nicht erwähnt. Dem Großteil der rund 50 KandidatInnen für das Europäische Parlament waren Details der Finanzkrise, die den Kontinent zu spalten droht, kein einziges Wort wert.
Den Piraten mangelt es schlicht an Wirtschaftskompetenz – und Parteichef Thorsten Wirth gibt das auch zu. Er könne sich eben keine Parteifreunde backen, die sich intensiv mit dem Zusammenspiel von nationalen Regierungen, europäischen Rettungsschirmen und Zentralbank auseinandergesetzt haben, argumentiert der Softwareentwickler.
Zwar finden sich im Wahlprogramm Punkte, in denen ein Ende der Schöpfung von Buchgeld durch Banken und Sparkassen ebenso gefordert wird wie die Beteiligung der Staaten an notleidenden Geldinstituten, die mit Steuergeld gestützt werden müssen. Auch über einen direkten „Finanzausgleich“ zwischen dem vom Euro profitierenden Norden und dem von Arbeitslosigkeit und deflationären Tendenzen gebeuteltem Südeuropa denken manche Piraten nach. Mehr als erste Skizzen sind diese Ideen aber nicht. Im Kern bleiben die Piraten eine um Informationsfreiheit und die Bekämpfung der Macht der Geheimdienste kreisende Partei.
Strategisch muss diese Verengung nicht einmal falsch sein: Schließlich werden die deutschen Piraten selbst bei Überspringen der 3-Prozent-Hürde nur mit zwei oder drei Abgeordneten im Europaparlament vertreten sein. Die werden zwangsläufig nur die zweifellos wichtigen Kernthemen der Partei in die Öffentlichkeit tragen können – die Lösung der Wirtschafts- und Finanzkrise Europas gehört nicht dazu.
6 Jan 2014
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Cornelia Ottos Bilanz nach drei Jahren harter Arbeit für die Piraten: Sie ist ausgelaugt, hat nichts erreicht und konnte sogar ihre Miete nicht mehr zahlen.
Mehr Inhalte, weniger meckern: Die Piraten küren ihre KandidatInnen zur Europawahl. Ihre Auffassung der EU leiten sie aus dem Netz ab.
Die Piratenpartei will trotz ihrer schlechten Umfrageergebnisse ins EU-Parlament. Auf dem Parteitag in Bochum werden die Wahlkampfthemen bestimmt.
Der Berliner Pirat Stephan Bliedung glaubt weiter an seine Partei, verrät das aber nur unter der Bedingung, geduzt zu werden.
Eine ratlose Basis kürt in Bremen den Frankfurter Piraten Thorsten Wirth zum neuen Vorsitzenden. Viele Mitglieder sind ihrer eigenen Partei überdrüssig.
Ernüchtert und ratlos war die Stimmung beim Parteitag der Piraten. Der neue Vorsitzende Thorsten Wirth will und muss die Partei einen – wie, kann er noch nicht sagen.