taz.de -- Gefahrengebiet aufgehoben: Hamburg wieder sicher
Die Gefahreninseln sind Geschichte. Grund sei die „positive Entwicklung der vergangenen Tage“, so die Polizei. Dennoch sind neue Demos angekündigt.
HAMBURG taz | In Hamburg können Menschen wieder angstfrei auf die Straße gehen. Die Polizei hob am Montagnachmittag die Gefahrengebiete in den Stadtteilen St. Pauli, Schanzenviertel und Altona auf. Grund sei „die positive Entwicklung in den vergangenen Tagen“, [1][teilte die Polizeipressestelle mit].
Nach gewalttätigen Auseinandersetzungen mit Demonstranten war am 4. Januar ein großflächiges Gebiet in der Innenstadt unter verschärfte Kontrolle gestellt worden. Am vorigen Donnerstag war es verkleinert und auf die Nachtstunden beschränkt worden.
In diesen Zonen durften Personen von der Polizei ohne Begründung kontrolliert, ihre Identität überprüft und ihre Taschen durchsucht werden. Dabei wurden mehr als 800 Menschen überprüft, fast 200 Aufenthaltsverbote ausgesprochen und 13 Platzverweise erteilt. Fünf Menschen wurden vorläufig fest- und 65 in Gewahrsam genommen.
Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz und Innensenator Michael Neumann (beide SPD) hatten am Montag in Interviews ihren harten Kurs verteidigt. Zugleich hatte Neumann [2][im Gespräch mit der taz] der Roten Flora Gespräche zur Lage angeboten. Das autonome Kulturzentrum erklärte am Montag, es habe das Angebot „zur Kenntnis genommen“. Es werde am morgigen Mittwoch auf dem Flora-Plenum diskutieren, danach werde man sich öffentlich äußern.
Am Wochenende hatten sich FDP, Linke und Piraten gegen die Polizeikontrollen ausgesprochen. „Ich sehe das als unangemessenes Muskelspiel“, sagte Hamburgs FDP-Landesvorsitzende Sylvia Canel. Die Einrichtung von Gefahrengebieten müsse künftig von Parlamenten oder Gerichten abgesegnet werden - und nicht von der Polizei. „Es müssen rechtsstaatliche Mindeststandards zur Kontrolle der Polizei errichtet werden“, erklärte Christiane Schneider von der Bürgerschaftsfraktion der Linken. Für den Montagnachmittag war eine erneute Demonstration gegen die Gefahrengebiete angemeldet worden.
13 Jan 2014
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Im Gefahrengebiet auf St.Pauli schien der Polizei vieles verdächtig: von Schals über weißes Pulver bis hin zu einem Bund Petersilie. Sprengstoff gab es nicht.
Gefahrengebiete gegen Migranten gibt es schon lange. Erst, seit sie sich auch gegen die weiße Mehrheitsgesellschaft richten, wird Protest laut.
Eine Volksinitiative will Gefahrengebiete in Hamburg abschaffen. Ihr Argument: Diese widersprächen der Verfassung.
In Hamburg gehen 5.000 Menschen gegen Gefahrengebiete auf die Straße. Grüne und Linkspartei wollen, dass der Passus aus dem Gesetz gestrichen wird.
Das Verhalten der Rote-Flora-Aktivisten ist 80er-Jahre-Fundamentalismus. In der Folge kann es teuer werden. Pragmatisch ist das nicht.
Die Flora-Pressegruppe will nicht mit dem Senat über die Zukunft des Projekts verhandeln. Die Besitzverhältnisse sind ihr „relativ egal“.
Würde am Sonntag gewählt, müsste sich die Hamburger SPD einen Koalitionspartner suchen. Die Befragten wünschen sich Rot-Grün – und Bürgermeister Olaf Scholz.
Der Hamburger Senat will die Rote Flora zurückkaufen. Eigentümer Kretschmer spricht von einer Kriegserklärung – und holt sich mächtigen Beistand.
Weitere Zeugen des Überfalls auf die Davidwache Ende Dezember in Hamburg haben sich gemeldet. Sie widersprechen der Darstellung der Polizei.
Hamburgs Bürgermeister Scholz steht zu seiner harten Sicherheitspolitik. Es sei Aufgabe der SPD, für Recht und Ordnung zu stehen, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“.
Provokation oder Protektion? Für den Hamburger Innensenator Michael Neumann ist das Gefahrengebiet eine „Erfolgsgeschichte“.
Die Polizei hat aus dem großen Gefahrengebiet in Hamburg drei kleinere gemacht. Der Widerstand nimmt immer vielfältigere Formen an.
Nach der Demo am Samstag, mit Klobürsten als Protestsymbol, ist die Nacht in Hamburg friedlich geblieben. Innenexperten fürchten Auswirkungen in Berlin.
Hamburgs subkulturelle Szene verteidigt ihre Viertel. Doch nicht alle befürworten die Gewalt gegen die Polizei. Ein Einblick in die Hamburger Kulturszene.