taz.de -- Uni Rostock ehrt Snowden: „Snowden hat an uns gedacht“
Die Uni Rostock will Edward Snowden die Ehrendoktorwürde verleihen. Er habe Methoden entwickelt, die ihn von anderen Whistleblowern unterscheiden.
taz: Frau Professor Mackenthun, was bewegt Sie zur Nominierung des Whistleblowers als Ehrendoktor?
Gesa Mackenthun: Snowden hat uns ein verborgenes Datenkorpus zur Verfügung gestellt mit absolut relevanten Informationen für Wissenschaft und Gesellschaft. Das macht ihn für viele zum Verräter, zum gesuchten Straftäter. Für uns ist das verantwortungsvolles, akribisches, gesellschaftsrelevantes Handeln, das Ehre verdient. Zivilbürgerliche Instiutionen müssen darüber dauerhaft diskutieren und versuchen die Gesellschaft zu verändern. Derzeit ist das Thema ja nur ein Hype der kommt und geht.
Welche wissenschaftlichen Kriterien liegen der Nominierung Snowdens zu Grunde?
Snowden hebt sich von allen vorherigen Whistleblowern ab. Er hat zwar keine Dissertation geschrieben, aber eine Methodologie und Strategie entwickelt, wie er sein Material präsentiert. Heraus zu heben ist zum Beispiel die verantwortungsvolle Auswahl der Journalisten, mit denen er kooperiert. Er hat das Material auch vorsortiert und kommentiert. Das entspricht einer wissenschaftlichen Textedition. Die Relevanz dieser Enthüllungen für die Wissenschaft ist enorm.
Lokalbezug ist bei Ehrendoktoren gern gesehen. Worin besteht der Zusammenhang zwischen Snowden und Rostock?
Wir leben doch in einer glokalisierten Welt, in der alles, was global wichtig ist, auch immer gleichzeitig einen lokalen Bezug hat. Snowden hat also abstrakt an uns in Rostock gedacht, als er die Informationen frei gab. Jetzt finden wir es wichtig, auch an ihn zu denken.
Die Universität Rostock bekommt durch das Vorhaben nun viel Aufmerksamkeit, so wie auch hier in der taz. Ist das nicht nur eine Werbemaßnahme für sie?
Höchstens Werbung im Sinne unserer Sache. Wir versuchen die Idee der bürgerlichen Verantwortung in die Köpfe der Menschen zu implantieren. Deutschland steckt in einer Krise der Demokratie und es braucht aufgeklärte Bürger. Eine aktive Gesellschaft. Unserer wissenschaftlichen Reputation wird Snowdens Ehrendoktor nicht dienlich sein. Dieser geht eher auf kosten unserer Forschung. Wir sollten stattdessen besser einen verschaffen.
Und was nützt die Ehrendoktorwürde Edward Snowden?
Schaden wird sie ihm nicht. Die Verleihung ist aber eher ein symbolischer Akt. Sie soll viel mehr die Politik zum umdenken bringen und den Medien einen Anlass bieten, sich nochmal dem Thema zu widmen. Vielleicht hat das ja Einfluss, wenn die deutsche und die amerikanische Regierung das nächste Mal zusammen sitzen, wenn Merkel zu Obama fliegt – oder aber Auswirkungen auf die Verhandlungen zwischen den Geheimdiensten. Und im besten Fall wird auch noch die Anklage gegen Edward Snowden in den USA fallen gelassen.
Glauben sie tatsächlich, dass die Ehrendoktorwürde solch einen großen Einfluss haben wird?
Sie könnte ein Anfang sein. Das Vorhaben ist nicht ganz ungehört, sonst würden wir ja nicht sprechen. Wir hoffen auf einen Schneeballeffekt . Wir beginnen mit einer kleinen Kugel und wenn genügend Andere mitmachen wird daraus ein schöner großer Schneemann.
22 Jan 2014
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