taz.de -- Kämpfe in Zentralafrika: Morden der Milizen nimmt kein Ende
Die ausländischen Eingreiftruppen sind nicht in der Lage, eine Waffenruhe zu garantieren. In mehreren Regionen des Landes gibt es Dutzende von Toten.
BERLIN taz | Die Milizenchefs in der Zentralafrikanischen Republik verlieren offenbar zunehmend die Kontrolle über ihre Kämpfer. Angehörige der christlichen Anti-Balaka-Milizen, die in den letzten Wochen in weiten Teilen der Hauptstadt Bangui alle Muslime vertrieben oder getötet haben, setzten in den vergangenen Tagen ihre Übergriffe fort, obwohl ihre Führung sie am 1. Februar zur Ruhe aufgerufen hatte.
Mehrere Residenzen von Ministern der neuen Übergangsregierung wurden am Wochenende von den Anti-Balaka angegriffen und geplündert, berichteten lokale Medien am Montagabend. Es sei zu Auseinandersetzungen mit dem burundischen Kontingent der AU-Eingreiftruppe Misca gekommen.
Der „Generalkoordinator“ der Anti-Balaka, Edouard Patrice Ngaissona, hatte in einer Erklärung am Freitag seine Milizen zum Einstellen der Kämpfe aufgefordert. „Das Endziel der Bewegung war vor allem, das zentralafrikanische Volk aus den Klauen der blutrünstigen Seleka zu retten, und dieses Ziel ist jetzt erreicht“, hieß es in der Erklärung. Seleka ist die mehrheitlich muslimische Rebellenallianz, die von März 2013 bis Anfang 2014 in Bangui regierte.
Stadtbewohner fliehen in den Busch
Ohne Seleka sind die Muslime auf den Schutz der internationalen Eingreiftruppen angewiesen, die aber nicht flächendeckend präsent sind. Die aus Bangui geflohenen Seleka-Einheiten hatten sich vergangene Woche in der Stadt Sibut nördlich von Bangui zurückgezogen, eine alte Hochburg aus der Zeit vor ihrer Machtergreifung. Ein Großteil der Stadtbevölkerung floh in den Busch und französische Kontingente rückten an, um die Seleka-Truppen zu vertreiben.
Weitere Seleka-Kontingente versuchen derzeit, sich aus dem Südwesten des Landes nach Norden Richtung Mbaiki durchzuschlagen. Seit auch dort französische Eingreifkontingente aktiv sind, verlassen die Seleka-Kämpfer Mbaiki und das Umland.
In diesem Zusammenhang soll es in den vergangenen Tagen zahlreiche Tote im Ort Boda gegeben haben. Muslime in Boda hätten sich nach der Flucht der Seleka-Einheiten bewaffnet, um Anti-Balaka-Kämpfer fernzuhalten, berichtete der katholische Priester Cassien Kamatari aus der Stadt gegenüber AFP.
Bei den darauf folgenden Kämpfen seien 75 Christen getötet worden; die Zahl der toten Muslime kenne er nicht, da diese „automatisch“ begraben würden.
4 Feb 2014
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Muslimische Rebellen rissen bei einem Anschlag auf ein Krankenhaus der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen am Wochenende mehr als 20 Menschen in den Tod.
Forderungen nach mehr Schutz für Muslime werden laut. Von einem „Klima völliger Straflosigkeit“ spricht die UN-Menschenrechtskommission.
Seit knapp einem Jahr bekriegen sich muslimische und christliche Gruppen. Pater Xavier-Arnauld Fagba stellt sich quer: In seiner Kirche kampieren 700 Muslime.
Nach dem brutalen Mord vor laufenden Kameras kündigt der internationale Strafgerichtshof Ermittlungen an. Auch die afrikanische Eingreiftruppe wird aktiver.
Vor laufenden Kameras haben Soldaten einen mutmaßlichen Rebellen gefoltert und brutal ermordet. Triggerwarnung: eindeutige Bilder!
Ruanda entsendet Soldaten in die Zentralafrikanische Republik. Damit will es einen Völkermord, wie es ihn 1994 im eigenen Land gab, verhindern.
Die neue Übergangsregierung hat die Zentralafrikanische Republik nicht stabilisiert. Niemand hat die Milizen im Griff, selbst die eigenen Anführer nicht.
Mit neuen Pogromen gegen Muslime in Bangui zeigen die christlichen Milizen Stärke. Sie fordern die neue Präsidentin heraus.