taz.de -- Kommentar Sterbehilfe für Kinder: Selbstbestimmt ins frühe Ende
Sterbehilfe für Kinder? In den Medien hat das zu gruseligen Assoziationen geführt. Doch sie gibt Sicherheit in einer schwierigen Ausnahmesituation.
Im belgischen Parlament herrscht fast einhellige Zustimmung zu dem neuen Gesetz, das [1][die Altersgrenze bei Sterbehilfe aufheben] wird. Doch schon im Vorfeld schlagen die Wellen in internationalen Medien hoch: Von „Kinder töten“ ist die Rede, von „Giftspritze“ oder „legalem Suizid“. Und die Tatsache, dass in den belgischen Landessprachen von „Euthanasiegesetz“ die Rede ist, komplettiert die gruseligen Assoziationen.
Berechtigte Bedenken bleiben. Die Gruppe derer, die Sterbehilfe beantragen können, wächst. „Wo hört das auf?“, fragen manche – zumal es in Belgien Bestrebungen gibt, künftig auch Demenzkranke mit einzubeziehen. Wer wird die Kriterien, wer die Regeln festlegen? Was bedeutet die Tatsache, dass Sterbehilfe billiger ist als Palliativmedizin, in einer Gesellschaft, die auch den Pflege- und Gesundheitsbereich dem Markt unterwirft?
Übersehen wird häufig, dass das belgische Sterbehilfegesetz in einer Situation extremen Leidens eine legale Möglichkeit eröffnet. Leichtfertig wird eine solche Entscheidung nicht getroffen, zumal neben der Erklärung der Minderjährigen auch eine der Eltern nötig ist, ein psychologisches Gutachten und Zustimmung mehrerer Ärzte.
Nicht zuletzt will man verunsicherten Patienten in einer rechtsunsicheren Praxis einen verbindlichen Rahmen geben. Der berücksichtigt die Ausnahmesituation, die immer unter großer emotionaler Belastung für die Betroffenen entsteht.
Dem belgischen Verfahren muss man nicht zustimmen. Doch diese komplizierte Ausgangslage zu leugnen ist unlauter und suggestiv. Zweifellos wird diese Entscheidung Signalwirkung haben – auch in Deutschland, wo das Thema ohnehin zur Diskussion steht. Der sollte man sich stellen, ohne Angst, dass dadurch alle Dämme brechen. Die Frage nach Selbstbestimmung am Ende des Lebens ist es wert.
13 Feb 2014
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Könnte man Ärzten noch vertrauen, wenn sie auf Verlangen töten dürften? Der Medizinethiker Urban Wiesing plädiert unter bestimmten Voraussetzungen dafür.
Eine taz-Recherche zeigt: Ärzte, die im falschen Bundesland Sterbehilfe leisten, riskieren ihren Job. Pech für Patienten. Droht ein „Suizid-Tourismus“?
In Belgien ist jetzt auch Sterbehilfe für Kinder erlaubt. Was macht so eine Haltung mit der Gesellschaft? Ein Arzt, ein Priester und ein Politiker erzählen.
Mehr Ärzte auf dem Land, mehr Pflege in der Familie: Der neue Patientenbeauftragte Karl-Josef Laumann gibt sich forsch. Pfleger will er besser bezahlen.
Als erstes Land der Welt erlaubt Belgien Sterbehilfe auch für todkranke Kinder. Die Abgeordneten in Brüssel stimmten mit klarer Mehrheit für eine Gesetzesänderung.
Das belgische Parlament muss über eine Ausweitung der aktiven Sterbehilfe entscheiden. Künftig sollen Ärzte auch schwerkranke Kinder töten dürfen.
Die Debatte um Sterbehilfe ist wieder entbrannt. So erhält ein alter Gesetzentwurf neue Brisanz, der auch ärztliche Beihilfe unter Strafe stellen will.
Ärzte sollten nicht über den Tod von Menschen entscheiden, dafür fehlt jede Grundlage. Eine Antwort auf den Vorschlag des Kollegen de Ridder.