taz.de -- Kommentar Nigeria: Zentralafrikas Schatten
Die Islamisten in Nigeria sind keine verrückte Sekte. Längst tritt Boko Haram als organisierte Armee auf. Ihr Einfluss ist für die gesamte Region gefährlich.
Der Konflikt zwischen bewaffneten Islamisten und Militär in Nigeria dauert schon so viele Jahre, dass er wenig internationale Aufmerksamkeit erzeugt. Wenn islamistische Rebellen in Mali territoriale Kontrolle erringen, schickt Frankreich Eingreiftruppen und führt Krieg – in Nigeria können die islamistischen Kämpfer der Gruppe „Boko Haram“ zu Tausenden Zivilisten umbringen, ohne dass es international sonderliche Aufmerksamkeit erregt.
Das Image von Boko Haram als leicht verrückte fundamentalistische Sekte, die vor allem Terroranschläge verübt und Gehirnwäsche betreibt, trägt zu dieser Verharmlosung bei.
Das ist gefährlich. Längst tritt Boko Haram als organisierte Armee auf, führt einen regulären Untergrundkrieg. Längst hat Nigerias Bürgerkrieg Ausmaße angenommen, die das Land seit der blutig niedergeschlagenen Biafra-Sezession vor 45 Jahren nicht mehr gekannt hat. Das strahlt auf die Nachbarländer Kamerun, Tschad und Niger aus – ein neuer Brandherd in der afrikanischen Sahelzone.
Dazu kommt die Krise in der Zentralafrikanischen Republik. Die Massaker an der muslimischen Minderheit und die systematischen Massenvertreibungen durch christliche Milizen sind in Afrika beispiellos. Das zentralafrikanische Konfliktgebiet ist von den Basen Boko Harams an der nigerianisch-kamerunischen Grenze weniger als 1.000 Kilometer entfernt, nur wenig weiter als Nigerias Hauptstadt Abuja in der anderen Richtung. Und es zirkulieren bereits Berichte, wonach Boko Haram die zentralafrikanischen Muslime „rächen“ will.
Sind die jüngsten Überfälle der Islamisten in Nigeria mit über 150 Toten allein am Wochenende schon als Rache für die „ethnischen Säuberungen“ in der Zentralafrikanischen Republik zu werten? Dafür ist es sicherlich zu früh. Aber die Gefahr ist real.
18 Feb 2014
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Gut, dass Frankreich den Kampf gegen Boko Haram organisiert – auch wenn es seine ehemaligen „Besitzungen“ wie einen neokolonialistischen Hinterhof behandelt.
Rund 100 junge Frauen wurden verschleppt, mutmaßlich von der Boko-Haram-Sekte. Die soll auch für den Bombenanschlag am Montag verantwortlich sein.
An einem Bunsbahnhof in der Nähe der Hauptstadt Abuja explodiert eine Bombe zur Hauptverkehrszeit. Verdächtigt wird die Islamisten-Gruppe Boko Haram.
Im nigerianischen Bundesstaat Kaduna sind mehr als 100 Dorfbewohner getötet worden. Offenbar gehören die Angreifer dem Hirtenvolk der Fulani an.
Seleka-Rebellen haben vor einem Jahr die Regierung gestürzt. Nach ihrer Vertreibung beherrschen nun verfeindete Milizen das Land.
Bei islamistischen Anschlägen im Nordosten Nigerias kamen über 110 Menschen ums Leben. Allein bei der Explosion zweier Autobomben starben in Maidiguri über 52 Menschen.
Angehörige der Terroruppe Boko Haram haben laut Augenzeugen 40 Studenten umgebracht. Soldaten suchen noch nach weiteren Opfern.
Ein neuer Überfall von Boko Haram fordert mindestens 98 Tote. Die Islamisten wollen im ganzen Land kämpfen – und bringen die Regierung in der Krise.
Im Nordosten des Landes sind mehr als 150 Menschen abgeschlachtet worden. Die Eskalation erfolgt in einer Zeit politischer Spannungen.
106 Menschen starben, als militante Islamisten am Samstag einen von Christen bewohnten Ort überfielen. Die Angreifer sollen der Gruppe Boko Haram angehören.
In der Zentralafrikanischen Republik rennen viele um ihr Leben – gejagt von Mordmilizen: Ihr Schutz gehört auf die Agenda der Weltpolitik.
Während das Militär Erfolge lobt, greifen die Islamisten von Boko Haram immer öfter Schulen und Dörfer an. Bisher hießen die Ziele Militär und Polizei.