taz.de -- Jüdische Gemeinde in Griechenland: Deutschland soll entschädigen
Es geht um Millionen, mit denen 1943 Tausende Juden aus der Zwangsarbeit freigekauft wurden. Dafür fordert eine Gemeinde in Thessaloniki Wiedergutmachung.
THESSALONIKI afp | Die jüdische Gemeinde im griechischen Thessaloniki verlangt von Deutschland Entschädigungszahlungen wegen Nazi-Verbrechen während des Zweiten Weltkriegs. Nachdem sich die griechische Justiz für nicht zuständig erklärt habe, werde nun versucht, die Forderungen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte durchzusetzen, hieß es in einer Mitteilung vom Dienstag.
Es gehe um „immaterielle Schäden“ sowie ein Lösegeld in Höhe von 2,5 Millionen Drachmen, das 1943 an den Regionalkommandanten der Nazis gezahlt worden sei, sagte der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde, David Saltiel.
Mit dieser Summe, die nach jetzigem Stand 45 Millionen Euro entspreche, seien damals Tausende Juden von der Zwangsarbeit freigekauft worden. Er hoffe, dass das Thema auch beim Griechenland-Besuch von Bundespräsident Joachim Gauck Anfang März zur Sprache komme, sagte Saltiel.
Etwa 10.000 jüdische Männer in Thessaloniki waren seinen Angaben zufolge von den Nazis zur Arbeit an Straßen und Bahnstrecken im ganzen Land gezwungen worden. Wegen der zahlreichen Todesfälle in den ersten zwei Monaten entschied sich die Gemeinde damals, ein Lösegeld zu zahlen, um die Männer zu befreien und ihre Deportation in das KZ Auschwitz zu verhindern, wo die Mehrheit der jüdischen Bevölkerung aus Thessaloniki ermordet wurde.
Vor dem Zweiten Weltkrieg lebten in der multikulturellen Stadt im Norden Griechenlands mehr als 50.000 jüdische Einwohner. Heute zählt die jüdische Gemeinde nur noch 1500 Mitglieder.
Griechenland hatte von Deutschland bereits mehrfach Entschädigungen wegen der Nazi-Kriegsverbrechen gefordert. Die Bundesregierung pochte jedoch stets darauf, dass die Frage der Reparationen im November 1945 durch internationale Abkommen geregelt worden sei.
25 Feb 2014
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Thessaloniki nannte man einst Jerusalem des Balkan. Dann kamen die Nazis. Die Erinnerungen sind erloschen, die Stadt will griechisch sein.
Die jüdische Gemeinde Thessaloniki will Entschädigung für 1943 von der Reichsbahn deportierte Mitglieder. Bahn und Bundesregierung mauern.
Im münsterländischen Borghorst soll die Villa einer jüdischen Familie abgerissen werden. Den Platz bräuchte die Feuerwehr. Eine Initiative sieht das anders.
Der Bundespräsident besucht in Griechenland ein von den deutschen Besatzern 1943 ausgelöschtes Dorf. Reparationszahlungen schließt Gauck aus.
Deutschlands Haltung in der Eurokrise und die griechischen Forderungen nach NS-Entschädigung belasten das Verhältnis der beiden Länder.
Joachim Gaucks Staatsbesuch in Griechenland wird ihn in das Dorf Lyngiádes führen. Dort verübten deutsche Soldaten 1943 ein Massaker.