taz.de -- Martin Sonneborn über EU-Parlament: „Wir wollen unsere eigene Fraktion“

Der Spitzenkandidat der „Partei“, Martin Sonneborn, rechnet nach dem Verfassungsgerichtsurteil mit einem Sitz im EU-Parlament.
Bild: Der Satiriker Martin Sonneborn ist „Spitzenkandidat“ der „Partei“ und will ins EU-Parlament einziehen.

taz: Herr Sonneborn, auf ihrer Webseite verkündet „Die Partei“, ein Mandat in Brüssel sei nur noch schwer zu verfehlen … Sie sind also optimistisch ins EU-Parlament einzuziehen?

Martin Sonneborn: War das die erste Frage?

Ja.

Ja, wir sind optimistisch. Bei der Bundestagswahl erreichten wir 0,2 Prozent, obwohl wir nur auf einem Drittel der Wahlzettel standen. Wir liegen also bei 0,6 Prozent. Wenn jetzt nur ein Drittel der Bürger zur Wahl geht, ist kleinen Splitterparteien obskurer Art, wie wir eine sind, der Wahlerfolg praktisch nicht mehr zu nehmen.

Sie konkurrieren mit anderen obskuren Splitterparteien wie der Tierschutzpartei und den Republikanern. Und dann sind da natürlich noch die etablierten Parteien. Welcher Partei hoffen Sie Wählerstimmen abzuluchsen?

Wir haben damals, als die FDP aufhörte als eigenständige politische Kraft zu existieren, Übertrittsangebote für besserungswillige FDP-Wähler und -Mitglieder gemacht. Und zwei oder drei sind zu uns übergetreten.

So viele?

Ja, ich fürchte, dass wir jetzt den ganzen abgehalfterten FDP-Rest am Hals haben. Ansonsten reicht die eigene Klientel. Wir müssen sie nur mobilisieren und dafür sorgen, dass die anderen Wahlberechtigten nicht zur EU-Wahl gehen.

Wie wollen Sie das hinkriegen?

Wir sind ja eine straff führerzentrierte Partei. Unsere Wählerschaft ist sehr jung – Schüler, Studenten und gerade 18-jährige. Denen befehle ich einfach über die sozialen Netzwerke, „Die Partei“ zu wählen. Ich denke, dass wir unsere Anhänger damit zu annähernd 104 Prozent motivieren können. Wir werden außerdem einen absolut einschläfernden Wahlkampf führen und so versuchen, den Rest der Bundesbürger von der Wahl fernzuhalten. Wir planen auch Veranstaltungstipps attraktiver Art für den 25. Mai in Umlauf zu bringen, zum Beispiel Fernsehen.

Wer wird denn Spitzenkandidat für „Die Partei“?

Wir haben beim Bundesparteitag in Bremen eine Liste aufgestellt. Ich bin die Nummer 1, insgesamt sind wir 60 Leute auf der Liste.

Ist das nicht zu optimistisch – Deutschland hat nur 96 Sitze im EU-Parlament?

Nein, wir planen monatlich zurückzutreten. Fünf Jahre sind wir im EU-Parlament, das sind 60 Monate. Jeden Monat kann sich also jemand anders Brüssel aus der Nähe ansehen.

Also ein Rotationsprinzip.

Eher ein Entlohnungsprinzip. Ein EU-Parlamentarier erhält rund 12.000 Euro pro Monat, und 20.000 Euro Bürokostenzuschuss. Das lässt sich sonst schlecht teilen.

„Die Partei“ rechnet demnach mit genau einem Sitz im EU-Parlament. Aber was kann ein „Die Partei“-Abgeordneter unter 751 ausrichten?

Wir haben große Möglichkeiten. Das EU-Parlament ist ein Spaßparlament. Das zeigt die letzte Verordnung über die Dicke von Pizza-Teig. Mit unseren Erfahrungen, die wir bei Titanic gemacht haben, können wir da ganz vorn mitspielen.

Das kann auch schnell langweilig werden. Am Dienstag wurde über die Zulassung von eCall-Notrufsystemen in neuen Automodellen diskutiert. Was ist daran spaßig?

Keine Ahnung. Wir können sicher lustigere Sachen organisieren.

Welche denn?

Sobald wir einen Platz im EU-Parlament haben, werden wir uns hinsetzen und überlegen, wie wir diesen Kontinent umgestalten. Eines kann ich versprechen: es wird nicht schlechter werden.

Welcher Fraktion wollen Sie sich anschließen?

Wir wollen auf jeden Fall unsere eigene, wie heißt das?

Fraktion.

Ja, vielen Dank, Fraktion gründen. Das ist nicht ganz einfach, aber wir werden Mittel und Wege finden. Das einzige, von dem ich jetzt schon weiß, dass wir es gründen werden, ist ein Komitee für antiamerikanische Umtriebe.

Was soll dieses Komitee tun?

Es soll sich für antiamerikanische Umtriebe in Europa interessieren und sie unterstützen.

Was steckt dahinter?

Ein gesunder Antiamerikanismus. Mehr kann ich inhaltlich noch nicht verraten. Wir wollen natürlich weiterhin eine Mauer bauen. Zuerst wird die Schweiz eingemauert, auch andere Länder brauchen Mauern. Wir wollen so dem unkontrollierbaren Finanzbanditentum und der Globalisierung etwas entgegensetzen.

In ihrem Regierungsprogramm, welches bis 2113 gilt, steht...

2113, das ist ein Tippfehler.

Ein Tippfehler?

Ja, das Programm gilt nur bis 2093, wir nehmen es dann wieder von der Homepage.

Okay. In ihrem derzeit noch gültigen Regierungsprogramm heißt es: Die Mauer ist unsere Absage an weitere Europäisierung. Sie wollen dennoch ins europäische Parlament einziehen, ist das nicht ein Widerspruch?

Nein, das ist der Trend der Zeit. Es gibt viele Anti-Europäer, die jetzt gut bezahlt nach Brüssel gehen. Es gibt so viele Schwachköpfe, die für Europa sind und so viele Schwachköpfe, die gegen Europa sind, dass wir noch gar nicht genau wissen, wo wir stehen.

Sie wissen also noch nicht, welcher Gruppe von Schwachköpfen Sie sich anschließen?

Sehr gut gesagt.

26 Feb 2014

AUTOREN

Anna Lehmann

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