taz.de -- Neue Strategie der Geheimdienste: No Spy? Ade! Spionage? Olé!

Das Anti-Spionage-Abkommen ist zwar gescheitert. Die Bundesregierung ist trotzdem im Glück: Statt weniger Spitzelei gibt´s künftig etwas mehr.
Bild: Ich sehe was, was du nicht siehst.

BERLIN taz | Leere Hände, aber mehr Gequatsche: Nach dem erfolglosen Bemühen um ein „Anti-Spionage-Abkommen“ zwischen deutschen und US-amerikanischen Geheimdiensten muss die Bundesregierung ihre Strategie im Umgang mit der Spionage durch ausländische Geheimdienste ändern. Nun plant sie eine Doppelstrategie: Vorne rum ein bisschen reden, hinten rum wieder mehr spitzeln.

Beim Besuch von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) bei seinem Amtskollegen John Kerry (Demokratische Partei) hatte Steinmeier Ende letzter Woche eingeräumt, [1][dass es das von Deutschland gewünschte „No Spy“-Geheimdienstabkommen nicht geben wird]. Das Abkommen war aus Sicht der Bundesregierung das zentrale Instrument, mit dem sie die Zusammenarbeit mit US-Diensten auf eine neue Grundlage stellen wollte.

Zuvor war in Folge der Snowden-Enthüllungen bekannt geworden, in welchem Ausmaß Unternehmen und Menschen in Deutschland – [2][darunter auch die Bundeskanzlerin] – von internationalen Spionen überwacht werden. In dem Abkommen wollte die Regierung Grenzen der Spionage für US-Dienste in Deutschland definieren. Die US-Regierung hatte dies jedoch von Anfang an für abwegig befunden.

Nun steht die Bundesregierung weiterhin mit leeren Händen da. Und sie schlägt stattdessen einen „Cyber-Dialog“ mit den US-Stellen vor. Diese bekundeten sogar, dass sie – Überraschung – gegen Dialoge nichts einzuwenden hätten.

Auf weitergehende Maßnahmen, wie sie die Opposition im Bundestag fordert, verzichtet die Bundesregierung dagegen. Oppositionspolitiker wie der linke Innenexperte Jan Korte und der grüne Netzpolitiker Konstantin von Notz fordern seit Langem, bestehende Abkommen mit den USA auszusetzen und Verhandlungen abzubrechen. Dies gilt etwa für das Swift-Abkommen zum Austausch von Bankdaten, für die sogenannte Safe-Harbor-Regelung zur Übermittlung von Daten in die USA und die derzeit laufenden [3][Verhandlungen zu einem Transatlantischen Freihandelsabkommen (TTIP)]. Hier hätte die US-Seite viel zu verlieren.

Die Bundesregierung hingegen plant offenbar eine andere Strategie. Erst kürzlich hatte der Spiegel berichtet, dass es beim Verfassungsschutz MAD, dem Militärischen Abschirmdienst der Bundeswehr, Pläne gebe, etwa die Botschaften der USA und Großbritanniens ihrerseits einer geheimdienstlichen Überwachung zu unterziehen. Ein bisschen reden also und ein bisschen lauschen. Und überdies bitte: Nix für ungut.

2 Mar 2014

LINKS

[1] /Steinmeier-in-den-USA/!133964/
[2] /Ueberwachung-von-Merkels-Handy/!126119/
[3] /TTIP-Verhandlungen-in-Washington/!133385/

AUTOREN

Martin Kaul

TAGS

Geheimdienst
NSA
Schwerpunkt Überwachung
Spionage
Handy
Generalbundesanwalt
Edward Snowden
Edward Snowden
GCHQ
GCHQ
NSA
Online-Shopping

ARTIKEL ZUM THEMA

Generalbundesanwalt ermittelt: Spionage im Raumfahrtzentrum

Das BKA ermittelt wegen Spionageverdachts im Deutschen Raumfahrtzentrum. Innenminister de Maiziere spricht von einem „ernsten Vorfall“.

Datensicherheit auf dem Handy: Ein Schloss fürs Smartphone

Es tut sich was auf dem Markt der verschlüsselten mobilen Telefonie. Doch nicht nur die Preis-, auch die Qualitätsunterschiede sind groß.

Generalbundesanwalt über Spionage: „Wir sind nicht die NSA“

Vorratsdatenspeicherung und Bundestrojaner seien notwendig, sagt Generalbundesanwalt Harald Range. Neidisch auf die NSA ist er aber nicht.

Staatliche Schadsoftware „Turbine“: Die NSA schickt Massen-Spam

Neueste Enthüllung aus den Snowden-Papieren offenbaren, dass NSA und GCHQ weltweit Rechner mit Schadsoftware infizieren – und das in industriellem Ausmaß.

Botschaft von Snowden: So einfach wie möglich

Edward Snowden sprach per Video mit Besuchern des Technologie-Treffens „South by Southwest“. Er rief zum Widerstand mit den Mitteln der Technik auf.

Rufmord durch Geheimdienste: Spione mit „magischen Techniken“

Dokumente des britischen GCHQ zeigen, wie dieser falsche Informationen über Gegner streut. Auch missliebige Aktivisten geraten ins Visier.

Neues von Edward Snowden: Jetzt auch noch Webcams

Der britische Geheimdienst soll jahrelang Screenshots aus Webcam-Chats gespeichert haben, darunter auch explizites Material. Millionen Yahoo-Nutzer seien betroffen.

Überwachung durch US-Geheimdienst: „Was soll ich denken?“

Statt der Kanzlerin soll die NSA jetzt vermehrt ihr Umfeld abhören, etwa Thomas de Maiziére. Daraus soll hervorgehen, wie eng das Verhältnis der beiden ist.

Datensammeln im Internet: Dein ganz persönlicher Einkaufstipp

Die Geheimdienste tun es, die großen Internetkonzerne tun es, kleine Apps tun es auch. Wofür werden die vielen Daten über einzelne Personen denn gesammelt?