taz.de -- Ukrainischer Musik-Star: Russendisko war gestern

Slawa Wakartschuk von der ukrainischen Band Okean Elzy beschwört die Einheit seines Landes und versprüht Optimismus. Aber nicht in Russland.
Bild: Egal ob Konzert oder politische Rede: Slawa Wakartschuk ist ein Star.

Dass bei Rockkonzerten zwischendurch die Nationalhymne gesungen wird, ist ein eher seltenes Erlebnis. Bei der [1][Europa-Tournee von Okean Elzy], der berühmtesten ukrainischen Band, passiert das derzeit täglich. Und dabei ist es nicht Slawa Wakartschuk, der 38-jährige Frontmann, der das elegische „Noch sind der Ukraine Ruhm und Freiheit nicht gestorben“ anstimmt, sondern das Publikum.

„Ruhm und Freiheit“ sind allerdings auch erheblich bedroht. Am Sonntag, als Okean Elzy in Hamburg auftrat, hatten die Krimbewohner über die Loslösung von der Ukraine abgestimmt. Und am Dienstag in Berlin sagte Wakartschuk gleich zu Beginn, dass ihm nach Singen eigentlich nicht zumute ist. Wladimir Putin hatte seinem Reich am Nachmittag die Krim einverleibt. Wie soll man eine Europatournee durchhalten, wenn gerade das eigene Land zerlegt wird? Das Publikum wird uns ein bisschen aufrichten, hatte Wakartschuk in Hamburg gesagt.

Viele Konzertbesucher tragen die Wyschiwanka, die ukrainische Bluse mit viel Stickerei, manche Frauen haben einen Kranz im Haar, andere schwenken eine ukrainische Fahne. Es wirkt wie ein Bauernmarkt und ist doch eine politische Kundgebung.

In Berlin bekam Wakartschuk schnell die ukrainische Fahne gereicht und fing dann ernst, aber voller Energie an, seine Lieder zu singen. Die lauten und die leisen, und später ein ganz leises für den ukrainischen Soldaten, der am Dienstag auf der Krim erschossen wurde. Mal spannte Wakartschuk die Fahne hinter sich, dann band er sie wieder am Mikrofonständer fest, so wie er es auf dem Maidan in Kiew auch getan hatte.

Okean Elzy (Elses Ozean) hat seine Wurzeln 1994 in Lwiw/Lemberg. Texter, Sänger und Komponist war von Anfang an Wakartschuk, damals Physikstudent an der Uni Lemberg. 1998 kam das erste Album heraus. Bald war die Band im gesamten postsowjetischen Raum erfolgreich. Geholfen hat die Präsenz im russischen MTV-Ableger – und der Soundtrack des Films „Brat 2“. In der Frühzeit der „Russendisko“ spielte Wladimir Kaminer die Songs aus dem Film rauf und runter. Immer mit dabei Okean Elzy, und immer auf Ukrainisch.

Von der Orangen Revolution zum Euromaidan

Wakartschuk ist in der Ukraine ein Superstar, für gewöhnlich spielt er in Stadien. Doch seit der Orangen Revolution 2004 hat er auch politisches Gewicht. Er war Berater von Präsident Juschtschenko und Abgeordneter im ukrainischen Parlament. Entnervt von den Rankünen der Macht, verließ er 2008 die politische Bühne – bis zum „Euromaidan“. Er ist aber vorsichtig geworden, Fotos mit Oppositionspolitikern geht er aus dem Weg.

Anfang März war er in der Ostukraine, trat in Charkiw, in Donezk auf, sprach in Universitäten. Die Studenten drängelten sich. Wakartschuk versprühte Optimismus und beschwor die Einheit des Landes. Sein Auftritt wurde bejubelt wie Okean-Elzy-Konzerte. Dabei trat er nur als Redner auf. Doch am Schluss stimmte er die Hymne an.

So viel ukrainischer Nationalismus muss natürlich bestraft werden. Schon vor Wochen forderte Wladimir Schirinowski, Rechtsaußen der Moskauer Politik und scheppernder Lautsprecher des Kreml, Wakartschuk wegen antirussischer Äußerungen die Auftritte in Russland zu verbieten. Am Mittwoch, Okean Elzy war gerade in Prag, wurde es offiziell: Alle Konzerte zwischen St. Petersburg und Wladiwostok, insgesamt zehn, sind gestrichen. In Berlin sang Wakartschuk zum Schluss: „Vsjo bude dobre, nastane nasch tschas“ – Alles wird gut, unsere Zeit wird kommen! Gut möglich, dass Okean Elzy jetzt öfter im Westen auftritt.

20 Mar 2014

LINKS

[1] http://www.okeanelzy.com/en/

AUTOREN

Thomas Gerlach

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