taz.de -- Havarie im AKW Grohnde: Fremdkörper im Reaktorkern

Techniker entdecken ein zerstörtes Bauteil im AKW. Atomkraftgegner fordern umfassende Sicherheitschecks, Basis-Grüne die endgültige Abschaltung.
Bild: Protest vor dem AKW Grohnde

HANNOVER taz | Nach dem Fund eines zerstörten technischen Bauteils im Reaktorkern des AKW Grohnde fordern Umweltschützer, Atomkraftgegner und Teile der grünen Basis eine umfassende Sicherheitsanalyse des maroden Kraftwerks. „Jetzt muss genau überprüft werden, wie der Fremdkörper in den Reaktor gelangen konnte“, sagt Peter Dickel von der Initiative „Grohnde abschalten“.

Das an der Weser bei Hameln liegende AKW produziert bereits seit Ende April keinen Strom: Bei der jährlichen Revision hatten Techniker der Betreiberfirma Eon zunächst einen Millionenschaden im nichtnuklearen Teil des Kraftwerks entdeckt. Deshalb muss der rund 600 Tonnen schwere Generator, der Wasserdampf in Elektrizität verwandelt, ersetzt werden.

Am Freitagnachmittag überraschte das für die Atomaufsicht zuständige niedersächsische Umweltministerium mit einer weiteren Mitteilung: Im Reaktorkern seien Teile eines sogenannten Drosselkörpers gefunden worden – ein „Bauteil, das zur Strömungseinstellung im Reaktorkern erforderlich“ sei.

Zur weiteren Untersuchung müsse „der Reaktordruckbehälter geöffnet“ werden. Bekannt sei der Schaden seit Donnerstagnachmittag. Weitere Details konnte ein Ministeriumssprecher trotzdem nicht nennen.

Zusehends unter Druck gerät damit Niedersachsens grüner Umweltminister Stefan Wenzel. Der zeige bei der Atomaufsicht „nicht mehr Engagement als sein FDP-Vorgänger“, klagt nicht nur der Atomkraftgegner Dickel. Auch Teile der grünen Basis fordern von Wenzel, „Grohnde endgültig vom Netz zu nehmen“ – schließlich sei sei das Kraftwerk „jahrelang Störfallspitzenreiter unter den deutschen AKWs“ gewesen, findet etwa Nicole van der Made vom grünen Ortsverband Gehrden bei Hannover.

Die Arbeiten gehen weiter

Der [1][Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU)] kritisiert dagegen, dass der Reaktor unmittelbar vor Entdeckung des Drossel-Fremdkörpers mit neuem atomaren Brennstoff befüllt wurde, darunter acht Mischoxid-Elementen (MOX). Nach Berechnungen der Anti-Atom-Organisation [2][„ausgestrahlt“] enthalten diese jeweils 17 Kilogramm hochgiftiges Plutonium.

Dennoch gehen an der Weser die Arbeiten zur Wiederinbetriebnahme des AKW weiter. Trotz Protesten erreichte am Sonntag ein verrostet wirkender, gebrauchter Ersatzgenerator Grohnde. Atomkraftgegnern erteilte die Polizei Platzverweise.

Dabei sei unklar, ob das gebrauchte Ersatzteil überhaupt in der Lage sei, die Last des leistungsgesteigerten AKW Grohnde aufzunehmen, fürchtet Andreas Röhrmann von „[3][Grohnde abschalten]“ – und schimpft wie viele Atomkraftgegner auf den Grünen Wenzel: Der sei „zum Handlanger der Atomwirtschaft mutiert“.

18 May 2014

LINKS

[1] http://www.bbu-online.de/
[2] http://www.ausgestrahlt.de/
[3] http://grohnde-abschalten.de/

AUTOREN

Andreas Wyputta

TAGS

Schwerpunkt Atomkraft
Stefan Wenzel
Eon
AKW Grohnde
Atomkraftwerk
Schwerpunkt Atomkraft
Atomkraftwerk
Atomausstieg
Schwerpunkt Atomkraft
Schwerpunkt Atomkraft

ARTIKEL ZUM THEMA

Sicherheit von Atomkraftwerken: Neustart in Grohnde

Es gibt Sicherheitsbedenken in einem niedersächsischen AKW. Doch noch bevor die Vorwürfe geklärt sind, soll es wieder angefahren werden.

Sicherheitsbedenken in Niedersachsen: AKW Grohnde weiter außer Betrieb

Nur unter Protest sollen Techniker Schweißnähte notdürftig geflickt haben. Niedersachsens Umweltminister Wenzel schaltet die Staatsanwaltschaft ein.

Jede Menge Probleme beim E.ON-Meiler: AKW Grohnde bröselt weiter

Neun Federbrüche im Reaktorkern, der Ersatzgenerator ist rostig: AKW-Gegner fordern das endgültige Aus für das Atomkraftwerk.

Kommentar Altlasten der Atomkraft: Hintertür der AKW-Betreiber

Der Staat wird zur Kasse gebeten, wenn ihr Finanzpolster für Rückbau und Entsorgung nicht reicht. Dabei sollten die Atomkonzerne unbegrenzt haften.

Gorlebener Gebet: Beharrlicher Protest im Kiefernwald

Mal kommen zehn, mal 200, Protestanten, Katholiken, Muslime oder "Kirchenferne" jeden Sonntag seit 25 Jahren zur atomkritischen Andacht nach Gorleben.

Standortsuche für Atommüllbehälter: Da waren es nur noch sieben

Wohin mit den 21 Castoren, die ab 2017 nach Deutschland rollen werden? Ein internes Papier der Bundesregierung schließt schon mal vier Standorte aus.

Steigender Ökostrom-Anteil: Sorge um Atomkraft

Immer mehr Ökostrom wird produziert. Der Energieversorger Eon sorgt sich um die Wirtschaftlichkeit seiner Atommeiler. Lohnt der Betrieb von AKW noch?