taz.de -- Kommentar Deutschlands Afrikapolitik: Papier gegen Boko Haram
Die Neuausrichtung der deutschen Afrikapolitik setzt auf mehr Militär. Doch jeder weiß, dass Deutschland gegen Boko Haram keinen Finger rühren wird.
Der Terror in Nigeria steigert sich immer weiter. Auf eine beispiellose Geiselnahme von Hunderten Schülerinnen durch die islamistische Rebellenarmee Boko Haram antworteten die Staaten der Region mit dem Bekenntnis zum „totalen Krieg“; in Reaktion darauf hat Boko Haram jetzt die blutigsten Bombenanschläge seiner Geschichte verübt.
Das dürfte Nigerias Regierung und ihre Partner weiter in die militärische Eskalation treiben – obwohl sie mit ihrem Krieg gegen die Islamisten schon jetzt Tausende Menschen auf dem Gewissen haben.
Es ist dem Zufall geschuldet, dass Deutschland ausgerechnet in diesem Moment ein neues Afrikakonzept beschließt. Nimmt man dieses Papier im Vergleich zu seinem Vorgängerpapier aus den Zeiten Guido Westerwelles ernst, setzt Deutschland heute sehr viel mehr auf das Militär – bis hin zur Bereitschaft, „sich bei schwerwiegenden Krisen auch unmittelbar zu engagieren“. Denn „im Kreis der westlichen Partner blickt man mehr auf Deutschland und erwartet ein der Stellung und den Möglichkeiten angemessenes Engagement“.
Gleichzeitig weiß aber jeder, dass Deutschland gegen Boko Haram keinen Finger rühren wird. Dafür sind die Briten zuständig als ehemalige Kolonialmacht, die Franzosen als aktivste Interventionsmacht und die USA als Nigerias wichtigster Partner. Deutschland steht in Nigeria für Baufirmen, Maschinen und Autos, es ist ein Land, in das sich kranke nigerianische Politiker zur Behandlung begeben, wenn sie nicht wollen, dass jemand es merkt.
Was also wird Deutschland tun? Sollte die Bundesregierung überhaupt etwas tun? Es gibt darauf keine klare Antwort.
Derweil läuft Afrikas einwohnerreichstes Land auf einen Konflikt zu, gegen den der Horror in der Zentralafrikanischen Republik ein Kinderspiel ist. Das sagt mehr über Deutschlands Rolle in Afrika aus als jedes Grundsatzpapier.
21 May 2014
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Weiß das nigerianische Militär, wo die entführten Mädchen sind? Verhinderte die Regierung ihre Freilassung per Gefangenenaustausch?
Ein Selbstmordattentäter sprengte sich in die Luft, als sich Fans gemeinsam das Champions-League-Finale ansahen. Verdächtigt wird die Terrorgruppe Boko Haram.
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen setzt Boko Haram auf die Sanktionsliste für Al-Qaida-Unterstützer. In Nigeria protestieren Lehrer gegen die Terrorgefahr.
Erneut haben Kämpfer der Islamistenorganisation Boko Haram zahlreiche Menschen getötet. Am Tschadsee brannten sie ein ganzes Dorf nieder.
Frankreich will seine Militärpräsenz im Sahel neu ordnen und mit seinen afrikanischen Partnern die Islamisten in Nigeria bekämpfen – irgendwann.
Bei zwei Attentaten in Jos wurden am Dienstag dutzende Menschen getötet, viele weitere verletzt. Die Islamisten von Boko Haram werden als Täter vermutet.
Gut, dass Frankreich den Kampf gegen Boko Haram organisiert – auch wenn es seine ehemaligen „Besitzungen“ wie einen neokolonialistischen Hinterhof behandelt.
Geheimdienste und Militär besser koordinieren – das sind Strategien, die afrikanische Staaten und Frankreich im Kampf gegen die Terrorgruppe beschlossen haben.
Goodluck Jonathan wollte am Freitag Chibok besuchen, den Heimatort der entführten Mädchen. Im letzten Augenblick wurde abgesagt. Aus Sicherheitsgründen.
Der nigerianische Präsident Goodluck Jonathan will von einem Austausch der entführten Mädchen gegen inhaftierte Boko-Haram-Mitglieder nichts wissen.