taz.de -- Überwachung in Deutschland: Ein offenes Geheimnis

Zukünftig verzichtet der Bundesnachrichtendienst auf einige Tarnnamen seiner Lauschposten im Inland. Das Vorgehen ist Teil einer neuen Transparenzoffensive.
Bild: Das ist nicht der BND. Das ist eine Mondlandestation. Ist doch klar.

BERLIN rtr | Der Bundesnachrichtendienst gibt nach Jahrzehnten ein Stück seiner Geheimhaltung auf und verzichtet auf die Tarnnamen für etliche seiner Horchposten im Inland. An sechs Außenstellen, über die der BND unter anderem Funkverkehr und Handy-Telefonate im Ausland abhört, prangt ab Freitag ein Behördenschild mit der Aufschrift „Bundesnachrichtendienst“.

Die Nutzung fantasievoller Legenden wie „Ionosphäreninstitut“ oder „Fernmeldeweitverkehrsstelle der Bundeswehr“ gehört damit der Vergangenheit an. „Die heutige Umwidmung ist ein Zeichen für mehr Transparenz“, sagte BND-Chef Gerhard Schindler.

„Wir wollen damit das Vertrauen der Bevölkerung in die Tätigkeit des Bundesnachrichtendienstes weiter stärken.“ Der BND erfülle eine wichtige Aufgabe und brauche sich dafür nicht zu verstecken.

In den betroffenen Außenstellen arbeiten nach BND-Angaben rund 700 Mitarbeiter des Geheimdienstes. Sie hören unter anderem den Funkverkehr und Handy-Telefonate in Krisengebieten wie Afghanistan ab, wo die Bundeswehr stationiert ist. Die Informationen sollen dazu dienen, die deutschen Soldaten vor Angriffen und Anschlägen zu schützen.

Auch ein Besucherzentrum ist geplant

Die Experten des BND helfen außerdem bei der Aufklärung von Entführungen und Geiselnahmen deutscher Bürger im Ausland. „Diese Aufgaben gehören zum Kernauftrag des Bundesnachrichtendienstes und beruhen auf gesetzlicher Grundlage“, sagte Schindler. „Zu diesen Aufgaben stehen wir, weshalb wir zukünftig auf die Legendierung dieser Außenstellen im Inland verzichten.“

Konkret bekennt sich der BND zu Dienststellen in Bad Aibling, Gablingen, Stockdorf und Söcking (alle Bayern) sowie in Rheinhausen (Baden-Württemberg) und Schöningen (Niedersachsen). Bis auf Söcking und Stockdorf sind es Lauschposten.

Die Abhörstation in Bad Aibling ging allerdings im vergangenen Jahr bereits so oft durch die Medien, dass sie längst nicht mehr geheim war: Sie spielte eine prominente Rolle in der NSA-Affäre.

Die Aufgabe der Tarnbezeichnungen ist Teil einer für einen Geheimdienst ungewöhnlichen Transparenzoffensive, die Schindler gestartet hat. So gewährt der Nachrichtendienst Journalisten und Wissenschaftlern Einblick in seine Altakten-Bestände und empfängt Hunderte Besuchergruppen pro Jahr, um über seine Tätigkeit zu informieren. Im Neubau der BND-Zentrale in der Berliner Innenstadt soll außerdem ein frei zugängliches Besucherzentrum eingerichtet werden.

6 Jun 2014

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