taz.de -- Kämpfe in Mossul, Anschläge in Bagdad: Mehr als 100 Tote im Irak

Bei schweren Auseinandersetzungen im Norden des Landes starben 59 Menschen. In Bagdad erschütterten am Samstag mehrere Autobomben vorwiegend schiitische Wohnviertel.
Bild: Bei den Bombenexplosionen in Bagdad starben mindestens 52 Menschen.

BAGDAD ap | Religiöse Gewalt hat im Irak am Samstag mehr als hundert Menschen das Leben gekostet. Bei einer Serie von Bombenexplosionen in der Hauptstadt Bagdad starben am Abend mindestens 52 Menschen. In der Stadt Mossul, rund 360 Kilometer nordwestlich von Bagdad, bekämpften sich sunnitische Extremisten und Sicherheitskräfte den zweiten Tag in Folge, dabei starben 21 Polizisten und 38 Militante.

In der Unruheprovinz Anbar stürmten mutmaßlich sunnitische Extremisten [1][eine Universität], nahmen hunderte Studenten als Geiseln und töteten drei Polizisten. Für die Serie von Autobomben in Bagdad auf vorwiegend schiitische Wohnviertel erklärte sich zunächst niemand verantwortlich. Doch normalerweise verüben sunnitische Extremisten auf diese Weise Anschläge.

Ihre Gewaltakte haben seit April 2013 deutlich zugenommen, nachdem die schiitisch dominierte Regierung des Landes ein sunnitisches Protestlager hatten räumen lassen. Vor einigen Jahren hatte ein ähnlicher Konflikt das Land fast an den Rande eines Bürgerkriegs gebracht. Die Geiselnahme in der Anbar-Universität nahe der Provinzhauptstadt Ramadi geht offenbar auf das Konto sunnitischer Extremisten der Gruppe Islamischer Staat im Irak und Syrien (Isis).

Deren Mitglieder kämpfen auch im syrischen Bürgerkrieg gegen Präsident Baschar al-Assad. Isis bekannte sich zwar zunächst nicht zu dem Sturm auf den Komplex. Doch Studenten berichteten, Kämpfer hätten sich als Isis-Mitglieder zu erkennen gegeben. Seit vergangenen Dezember kontrolliert Isis mit verbündeten Milizen in Anbar die Stadt Falludscha und Teile von Ramadi.

Die seit zwei Tagen andauernden Kämpfe in Mossul zwischen Sicherheitskräften und Militanten deuten ebenfalls auf einen Konflikt mit sunnitischen Extremisten hin. Seit dem Abzug der US-Truppen, die 2003 zum Sturz des damaligen Diktators Saddam Hussein ins Land gekommen waren, müssen die irakischen Sicherheitskräfte landesweit nun alleine mit Aufständischen zurechtkommen. Der Samstag hatte mit dem Tod dreier Polizisten begonnen, die die Eingänge der Anbar-Universität nahe Ramadi bewachten.

Die Universität war von den seit Monaten tobenden Kämpfen zwischen sunnitischen Extremisten und irakischen Sicherheitskräften bisher verschont geblieben. Doch eine nicht genannte Anzahl bewaffneter Militanter stürmte das Gelände, nahm für mehrere Stunden Dutzende Studenten in einem Wohnheim als Geiseln und lieferte sich Gefechte mit der Polizei. Stunden später verließen Angreifer die Universität unter noch nicht geklärten Umständen.

Die Studenten wurden mit Bussen weggefahren, um aus dem Komplex herauszukommen. Doch Schüsse waren den Angaben zufolge weiter zu hören, als Sicherheitskräfte zurückgebliebene Militante angriffen. Ahmed al-Mehamdi, eine der Geiseln, berichtete, die Angreifer hätten sich als Mitglieder von Isis zu erkennen gegeben. Daraufhin seien besonders die schiitischen Studenten in Panik geraten, da sunnitische Extremisten Schiiten als Fehlgläubige ansehen.

Isis und andere sunnitischen Extremisten setzen in den seit Dezember von ihnen kontrollierten Gebieten in Anbar brutal islamische Regeln durch. Geiselnahmen sind im Irak relativ selten, normalerweise begehen die Extremisten Anschläge. Im vergangenen Jahr wurden nach Angaben der Vereinten Nationen 8.868 Menschen bei Anschlägen im Irak getötet. Sunniten geben immer wieder an, von der schiitisch dominierten Regierung des Landes diskriminiert und als Menschen zweiter Klasse behandelt zu werden.

8 Jun 2014

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