taz.de -- Verschwendung von Lebensmitteln: 44 Prozent Abfall

Fast die Hälfte der Lebensmittel in der Gastronomie landet im Abfall. Das Umweltbundesamt will Vorschriften für die Weitergabe von Resten überprüfen.
Bild: Schön aufessen! – Leckerer Spargelsalat aus dem mecklenburgischen Stintenburg.

BERLIN taz | Wer auswärts isst, verursacht oft eine besonders große Verschwendung von Lebensmitteln. 44 Prozent der Nahrungsmittel in Restaurants, Großküchen oder bei Veranstaltungen „landen vorzeitig im Abfall“, zeigen erste Ergebnisse eines Forschungsprojekts des Umweltbundesamts. In privaten Haushalten liege die Quote nur bei 17 Prozent.

Da die Deutschen aber insgesamt viel mehr zu Hause statt auswärts essen, sind die Haushalte absolut gesehen die größten Verschwender auf der Verbraucherseite: 82 Kilogramm pro Person werden dort jährlich im Schnitt zu früh weggeworfen. 23,6 Kilogramm sind es beim „Außer-Haus-Konsum“. Die meisten Abfälle entstehen jedoch auf der Produktionsseite: in der Landwirtschaft.

Die Zahlen unterscheiden nicht zwischen vermeidbaren und unvermeidbaren Abfällen. Als unvermeidbar gelten zum Beispiel Kartoffelschalen, als vermeidbar noch essbare Karotten. Anzunehmen ist aber, dass die Mehrheit vermeidbar ist. Einer früheren Studie zufolge lag der Anteil bei gut der Hälfte.

Gravierende Umweltschäden

„Die Kosten der Lebensmittel in der Gastronomie scheinen geringer zu sein als die Kosten für das Personal oder das Rohstoffmanagement“, sagte Wissenschaftlerin Ulrike Eberle, die an der Studie mitgearbeitet hat. Die Verschwendung hat gravierende Folgen für die Umwelt. Die Behörde rechnet vor, dass fünf Prozent des Treibhausgasausstoßes in Deutschland durch Lebensmittelverluste entstünden. Zudem werden unnötig Ackerflächen und Wasservorräte in Anspruch genommen sowie umweltschädliche Pestizide und Dünger freigesetzt. Gleichzeitig hungern auf der Erde derzeit rund 840 Millionen Menschen.

Die Behörde empfiehlt deshalb, „Haftungs- und Hygienevorschriften, die unnötigerweise zu Lebensmittelabfällen führen,“ einzuschränken oder zu streichen. Das treffe möglicherweise zum Beispiel auf eine Vorschrift zu, wonach Unternehmen für eventuelle Schäden haften, wenn sie Lebensmittel mit abgelaufenen Mindesthaltbarkeitsdatum an karitative Initiativen weitergeben.

Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) begrüßte diesen Vorschlag. Im übrigen untersützte die Organisation bereits „im Rahmen der Branchenmöglichen eine Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung“.

27 Jun 2014

AUTOREN

Jost Maurin

TAGS

Gastronomie
Lebensmittel
Tafel
Verschwendung
Ernährung
Lebensmittel
Brot
Welthungerhilfe
Ernährung
Containern
Containern

ARTIKEL ZUM THEMA

Der Therapeut Andreas Schnebel übers Teller-Leeressen: „Bewusst mit Essen umgehen“

Ein Restaurant erhebt Strafzahlungen, wenn man nicht aufisst, um einer Verschwendung vorzubeugen. Aus medizinisch-therapeutischer Sicht ist das bedenklich.

Nahrungsmittel in Deutschland: Ein Drittel landet auf dem Müll

Die Wirtschaft verursacht rund 60 Prozent der Lebensmittelverluste in Deutschland, so der WWF. Ein großer Teil davon ist vermeidbar.

Verschwendung beim Bäcker: Brot für den Mülleimer

Große Mengen von Lebensmitteln landen nicht im Mund, sondern in der Tonne. Forscher aus Münster zeigen: Die Industrie könnte mehr dagegen tun.

Umstrittene Entwicklungshilfe: Nicht am Hunger herumdoktern

Was tun gegen die weltweite Unterernährung? Statt angereicherter Nahrungsmittel fordern NGOs Hilfe für bäuerliche Strukturen.

Weniger Hunger durch weniger Fleisch: Drei Kalorien rein, nur eine raus

In der Fleischproduktion wird Getreide verfüttert, das auch gegessen werden könnte. Eine Studie zeigt: Millionen Menschen könnten sich damit ernähren.

Kongress der Lebensmittelretter: Die Anti-Wegwerfer

Sie sind sowas wie die niedrigschwellige Variante der Tafel. Sie sammeln für den Müll bestimmte Lebensmittel und verschenken sie.

Amtsgericht verhandelt „Containern“: Vorwurf: Einbruchsdiebstahl!

In Hessen stehen drei Studenten wegen Diebstahl von abgelaufenen Lebensmitteln vor Gericht. Ein Urteil gab es noch nicht, der Prozess wurde vertagt.

Urteil in Aachen: Geringfügige „Containerer“

Das Aachener Landgericht stellt ein Verfahren gegen zwei junge Leute ein. Sie hatten Lebensmittel aus Supermarktcontainern mitgenommen.

Mindesthaltbarkeit von Lebensmitteln: Weg mit dem Überfluss

Ilse Aigner will mit ein bisschen bunter Aufklärung gegen die Wegwerfkultur angehen. Doch gegen Lebensmittelverschwendung hilft nur eine radikale Lösung.