taz.de -- Kolumne Generation Camper: Geschichtslose Wanderführer

Gerade beim Wandern bleibt man an Details und Erinnerungskultur hängen. Schade, dass sie offensichtlich kaum beschrieben wird.
Bild: Gedenkfeier zum 70. Jahrestag der Landung der Alliierten in der Normandie.

Was denn auf der Gedenkplakette stehe, will mein Mitwanderer wissen. „Immer dasselbe“, sage ich langsam. „Assassinés par les Allemands“ und „1944“. „Von den Deutschen ermordet.“ Hhm. Die Gedenktafeln auf unserer Wanderroute Via Podiensis im Süden Frankreichs erinnern uns daran, dass es hier etwas zu erinnern gibt. Worüber in unseren Wanderführern aber nichts steht. Und auch in Pilgerberichten nichts vorkommt. „Die wievielte Gedenktafel ist das jetzt?“ – „Keine Ahnung.“

Im Thermalbadeort Lectoure war mir zum ersten Mal eine kleine Plakette aufgefallen, die an die Toten der Résistance erinnerte. Wir hatten an diesem sonnigen Morgen in der Ferne die Pyrenäen entdeckt – als feine weiße Gipfellinie am Horizont – und sahen nicht weiter hin. Jetzt, in Castelnau sur l'Auvignon, stehen wir direkt vor einer Gedenkstätte, einer Säulenrotunde, und studieren Fotos und Infotafeln.

Und können uns einfach nicht vorstellen, dass dieses zauberhafte Dorf in den Midi-Pyrenäen vor einer Generation Schauplatz einer „Schlacht“ war, dass es von Wehrmachtseinheiten in Schutt und Asche gelegt wurde. Blühende Gärten, eine alte Kirche, die Überreste eines Wehrturmes säumen die Gedächtnisstätte. Aber hier stehen die Namen der Toten. Darunter spanische Guerrilleros. Berichtet wird auch von Reginald Starr, einem Offizier der britischen Special Operations Executive, der in dem Dorf zwei Jahre lang sein Quartier hatte und die Résistance mit Waffen versorgte.

Zu Hause machen wir uns mit der jüngeren Historie vertraut. Was nicht schwer ist im Gedenkjahr von D-Day, dem Jahr 1944, als die Alliierten in der Normandie landeten und sich im besetzten Frankreich "Sabotageakte" des Widerstandes und „Säuberungsaktionen“ von SS und Wehrmacht häuften. Sehr hilfreich: das Infoportal [1][www.gedenkorte-europa.eu]. Detailliert klärt es über Hintergründe und die Gedenkorte auf unserer Route durch Frankreich auf. Aber eine Frage beschäftigt uns weiter: Warum sind Wanderführer eigentlich so geschichtslos?

5 Jul 2014

LINKS

[1] http://www.gedenkorte-europa.eu

AUTOREN

Burghoff

TAGS

Schwerpunkt Frankreich
Widerstand
Erinnerung
Urban Gardening
Wandern
Wald
Naturschutzgebiet
Jakobsweg

ARTIKEL ZUM THEMA

Kolumne Generation Camper: Andernach, die essbare Stadt

Urban Gardening boomt. In der Rheinstadt Andernach wächst selbst an denkmalgeschützten Gemäuern Obst und Gemüse – zum Knabbern für alle.

Kolumne Generation Camper: Nur keinen Neid jetzt!

Das Reisen im Caravaner bringt so manche Unbill mit sich. Doch man wird belohnt: Für Campingkinder ist es ein Paradies – und Eltern dürfen sich wohl fühlen.

Das Qualitätswandern boomt: Wanderlust im Premiumsegment

Mit Urkunden und Gütesiegeln werden die neuen Spitzenwanderwege ausgezeichnet. Sie kommen gut an – zur Freude der Touristikbranche.

Kolumne Generation Camper: Gute Droge, schöner Trip

Der Wald ist Ökologie und Kulturgut. Außerdem verspricht er eine gesteigerte Sinneswahrnehmung. Er ist das LSD des kleinen Mannes.

Kolumne Generation Camper: Nie ohne meinen Schnellkochtopf!

Muss die Camperküche auf Junkfood aus dem Discounter zurückgreifen? Nein. Denn die Natur vor Ort bietet reichlich Nahrung. Man muss es nur wissen.

Kolumne Generation Camper: Wo der Adler schreit

Bisher hat jeder Nationalpark hierzulande Protest und Streit ausgelöst. Touristen sind dabei die natürlichen Verbündeten der Naturschützer.

Kolumne Generation Camper: Auf der Mauer, auf der Lauer …

Sie sind eklig, diese Wanzen. Sie saugen Blut, hinterlassen Pusteln, und ständig juckt es. Die Pilger auf dem Jakobsweg können ganze Arien darüber singen.