taz.de -- Krise in der Ukraine: Waffenruhe nicht in Sicht

Kiew fordert die Separatisten zur Kapitulation auf. Erst dann könnten eine Feuerpause und neue Gespräche beginnen. Die Aufständischen sehen das nicht ein.
Bild: Panzer der ukrainischen Armee in Slawjansk.

MOSKAU/DONEZK dpa/rtr | Im Ukraine-Konflikt haben die prorussischen Aufständischen eine Waffenruhe mit der Armee vorerst ausgeschlossen. Es fehle weiter an Fluchtkorridoren für die Zivilbevölkerung in den umkämpften Regionen Donezk und Lugansk, sagte Separatistenanführer Andrej Purgin der russischen Tageszeitung Komsomolskaja Prawda.

Zudem müsse die Regierung zunächst Aufklärung geben über das Schicksal von 400 „vermissten“ Kämpfern. „Sie werden als Geiseln gehalten. (...) Präsident Petro Poroschenko sollte vor das Haager Kriegsverbrechertribunal“, forderte er. Purgin sprach sich für mehr Teams der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in der Ostukraine aus. „Wir brauchen etwa 400 Beobachter, davon sollten 150 aus Russland stammen.“ In der Vergangenheit hatten die Aufständischen etwa in Slawjansk immer wieder OSZE-Mitarbeiter entführt.

Separatistenanführer Igor Gurkin („Strelkow“) sagte, die militanten Gruppen wollten im Kampf gegen Regierungseinheiten nun eine „Berufsarmee“ gründen. Angehörige der „Volkswehr“ sollten bis zu umgerecht 500 Euro Monatssold erhalten.

Die ukrainische Regierung bleibt weiterhin hart. Nach den militärischen Erfolgen fordert sie die Separatisten im Osten zur Kapitulation auf. Verteidigungsminister Waleri Geletej rief die prorussischen Separatisten in der Ostukraine mit Nachdruck zum Aufgeben auf.

Lawrow kritisiert Bedingung Kiews

Es werde keine neue Feuerpause oder auch Verhandlungen geben, bevor nicht die „Terroristen“ alle ihre Waffen niedergelegt hätten, sagte Geletej nach Angaben ukrainischer Medien in der Konfliktregion. Russlands Außenminister Sergej Lawrow warf Kiew deswegen Wortbruch vor. Eine Kapitulation der Separatisten sei bei Krisengesprächen nie diskutiert worden, sagte Lawrow in Ljubljana. Er betonte nochmals, der einzige Weg zu einer Lösung der Krise sei die Waffenruhe und ein Treffen der Konfliktparteien.

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko besuchte die von der Armee zurückeroberte Stadt Slawjansk. Nach dem Abzug der prorussischen Separatisten unternehme der Staat alles zur Wiederherstellung der Energieversorgung in dem Ort, sagte Poroschenko bei einem Treffen mit Bürgern. Poroschenko unterstrich während des unangekündigten Besuchs, er sei zum Dialog mit jenen Aufständischen bereit, „die noch heute die Waffen niederlegen und Amnestie in Anspruch nehmen“.

US-Präsident Barack Obama und sein französischer Kollege François Hollande forderten Kremlchef Wladimir Putin zu mehr Druck auf die Separatisten in der Ukraine auf, um diese zum Dialog mit Kiew zu bewegen.

Russland bezeichnet Ukraine als Dieb

Russland stellt düstere Aussichten auf die Energieversorgung in der Ukraine und geht davon aus, dass die Ukraine im Herbst Gas-Lieferungen nach Europa abzweigen wird. „Aus Erfahrung wissen wir, wenn Herbst und Winter kommen und die Ukraine zu wenig Gas hat, dann werden sie es stehlen, entschuldigen sie, dass ich es so sagen muss“, sagte der Stabschef des Präsidialamts in Moskau, Sergej Iwanow, auf einer China-Reise nach Angaben der Agentur Interfax.

Russland hatte vergangenen Monat Gaslieferungen an die Ukraine wegen ausstehender Zahlungen unterbrochen. Bislang hatte die Kürzung der russischen Lieferungen in die Ukraine aber keine Auswirkungen auf die EU, die einen großen Teil ihres Bedarfs mit russischem Gas deckt. Ende kommender Woche wollen die EU und Russland ihre Verhandlungen über Gaslieferungen nach Europa fortsetzen.

9 Jul 2014

TAGS

Ukraine
Waffenruhe
Separatisten
Russland
Gas
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Ukraine
Ukraine
Ukraine
Ukraine
Lwiw
Ukraine
Barack Obama
Ukraine
Osten

ARTIKEL ZUM THEMA

Kämpfe in der Ostukraine: Propagandastreit um Luftangriffe

Das ukrainische Militär streitet mit den Separatisten über Opferzahlen nach der Luftoffensive - und mit den russischen Behörden über den Beschuss ihres Landes.

Flüchtlinge in der Ukraine: Zuflucht in Pawlograd

Eine 30 Kilometer von Donezk entfernt liegende Industriestadt ist Anlaufstelle für viele aus dem Donbass. Sie wollen alles vergessen.

Krise in der Ukraine: Waffenruhe in Aussicht gestellt

Petro Protoschenko erklärt sich in einem Telefonat mit Merkel zur Waffenruhe bereit. Die Kämpfe im Osten des Landes halten an. Amnesty verzeichnet Folterfälle.

Krise in der Ukraine: EU verschärft Russland-Sanktionen

Die EU verhängt elf weitere Einreiseverbote. Berlin stockt die Hilfe für Kiew auf. Im Osten der Ukraine kommt es zu neuen Gefechten.

Europa und die Ukraine: Magie und Zeitmaschine

Der Bürgermeister von Lwiw redet gern über die Zukunft seiner Stadt. Als gebe es keinen Krieg im Osten. Eindrücke aus der Westukraine.

Kämpfe in der Ukraine: Waffen niederlegen? Offensive!

Die Regierung in Kiew will mit den Separatisten über eine Waffenruhe verhandeln – unter Bedingungen. Die pro-russischen Kräfte haben andere Pläne.

Konflikt in der Ukraine: Obama und Hollande verschärfen Ton

Der US-Präsident und sein französischer Amtskollege drohen Russland mit weiteren Sanktionen. Die Regierung in Kiew lehnt Gespräche mit den Separatisten ab.

Krise in der Ukraine: Die Zeit läuft ab

Die ukrainische Armee zieht den Ring um die Großstädte Donezk und Lugansk enger. Die Separatisten drohen, Gespräche über eine mögliche Waffenruhe zu boykottieren.

Ost-West-Sichtweisen: Das Bier ist zu teuer

Der Ukraine-Konflikt bestimmt gerade unser Bild vom europäischen Osten. Wir haben Menschen dort gefragt, wie sie den Westen sehen.