taz.de -- Kommentar Forderung nach Lohnplus: Neoliberale Marotten

Die Bundesbank rät den Gewerkschaften, höhere Löhne auszuhandeln. Dabei ist sie mitverantwortlich dafür, dass die Reallöhne seit Jahren stagnieren.
Bild: Die Löhne sind für alle nach unten gerutscht.

Die Bundesbank gibt den richtigen Tipp, aber im falschen Ton. Gönnerhaft rät sie den Gewerkschaften, dass sie höhere Löhne aushandeln sollen. Damit verkennt die Bundesbank das Problem: Es ist nicht die Schuld der Gewerkschaften, dass die Reallöhne in Deutschland seit 15 Jahren stagnieren und jetzt eine Deflation droht. Die Verantwortung trägt die Politik. Sie hat die Gewerkschaften systematisch entmachtet – und zwar mit dem Segen der Bundesbank, die die neoliberalen Blaupausen lieferte.

Noch einmal zur Erinnerung: Es gab ein rot-grünes Regierungsprogramm namens „Agenda 2010“, das die Bundesbank ganz großartig fand. Konkret bedeuteten diese Arbeitsmarktreformen: maximaler Druck auf Langzeitarbeitslose, unbefristete Befristungen, Leiharbeit sowie eine Explosion der Minijobs. Aber auf einen gesetzlichen Mindestlohn wurde verzichtet, der die Arbeitnehmer nach unten hätte absichern können. Stattdessen wurden die Beschäftigten komplett erpressbar.

Nicht nur die unteren Schichten haben verloren, die sich in einem gigantischen Niedriglohnsektor wiederfinden. Die gesamte Gehaltssäule ist in Deutschland nach unten gerutscht. Auch die Mittelschicht muss erleben, dass ihre Reallöhne stagnieren.

Die Bundesbank erweckt den Eindruck, als seien steigende Löhne früher falsch gewesen – und jetzt richtig. Das ist absurd. Die sinkende Lohnquote hat die Probleme erst geschaffen, die die Bundesbank jetzt beklagt.

Leider sind die Irrtümer der Bundesbank nicht folgenlos. Ihre neoliberalen Marotten haben die Arbeitnehmer viel Geld gekostet. Jedes Jahr verlieren die Beschäftigten etwa 110 Milliarden Euro, weil ihre Löhne nicht adäquat gestiegen sind. Da wäre es angemessen, dass die Bundesbank wenigstens „Entschuldigung“ sagt – statt schon wieder Tipps zu verteilen.

22 Jul 2014

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Ulrike Herrmann

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