taz.de -- Kommentar Verfassungsreform in Italien: Absurder Bonus, absurde Sperre
Die geplante Wahlrechtsreform in Italien ist krass: mit 37 Prozent die absolute Mehrheit und eine Sperrklausel von acht Prozent.
Beppe Grillo, Chef der Fünf-Sterne-Bewegung, trägt bei seinen Attacken gegen die gegenwärtig verhandelte Verfassungsreform ziemlich dick auf. Italien drohe eine neue Diktatur und Ministerpräsident Renzi sei ein Wiedergänger Mussolinis.
Das ist stark übertrieben – eine Diktatur steht nicht ins Haus. Und wenig spricht dagegen, endlich Abschied zu nehmen von zwei völlig gleichberechtigten Kammern des Parlaments – von einem einzigartigen System, das den Gesetzgebungsprozess unnötig ineffizient werden lässt.
Dennoch ist die von Renzi erdachte und mit Berlusconi abgestimmte Reform einigermaßen unausgegoren. Ein Senat, der nichts zu sagen hat – der zwar ein „Senat der Regionen“ werden soll, aber nicht einmal in den die Regionen betreffenden Fragen über ein Vetorecht verfügt –, ein solcher Senat könnte komplett abgeschafft werden.
Noch wichtiger aber ist das Zusammenspiel von Verfassungs- und Wahlrechtsreform. Wenn nur noch eine Kammer entscheidet, dann wird das Wahlrecht für sie umso zentraler. Und auf diesem Feld legt das Duo Renzi/Berlusconi einen Vorschlag vor, der zwei riesige Defizite aufweist. Erstens soll eine Partei mit 37 Prozent schon die absolute Mehrheit erhalten und sollen andererseits Listen unter 8 Prozent draußen bleiben. Die Kombination von absurd hohem Mehrheitsbonus und absurd hoher Sperrklausel droht den demokratischen Wettbewerb krass zu verzerren und Minderheiten an den Rand zu drängen.
Zweitens schließlich sollen es weiter die Parteispitzen sein, die die Kandidaten für die blockierten Listen auswählen; auch Dissens innerhalb der Parteien würde damit an den Rand gedrängt. Eine Diktatur wäre das noch nicht – wohl aber, in einem Land zudem, das gerade 20 Jahre Berlusconi hinter sich hat, ein bedenkliches Minus an Demokratie.
27 Jul 2014
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