taz.de -- Ausstellung zu Kolonialsoldaten: Die Iris des Fotografierten

Die Ausstellung „Gefangene Bilder“ in Frankfurt widmet sich Kolonialsoldaten im Ersten Weltkrieg. Viele von ihnen kamen aus Afrika.
Bild: Von den acht Millionen Soldaten, die für Frankreich in den Krieg zogen, kam eine halbe Million aus den französischen Kolonien

Auf den ersten Blick wirken die Männer wie Kriegsversehrte; ein ungenauer zweiter Blick genügt, um die Eigentümlichkeit ihrer Verwundungen, sogenannte Schmucknarben, wahrzunehmen. Symmetrisch und kunstvoll zieren sie die fünf afrikanischen Gesichter. Jedes sehen wir einmal von vorn und einmal von der Seite, was sofort an Polizeifotos denken lässt.

An der Wand gegenüber hängen fünf weitere Porträts, nordafrikanische Männer, im Profil. Diese 15 Aufnahmen bilden den Auftakt der kleinen Ausstellung „Gefangene Bilder“ im Historischen Museum Frankfurt, die Wissenschaft und Propaganda rund um die außereuropäischen Teilnehmer des Ersten Weltkriegs beleuchtet.

In Kooperation mit dem Frobenius-Institut an der Goethe-Universität, aus dessen Archiv besagte Fotografien stammen, und dem Institut français d’histoire en Allemagne, fächert die Schau weitere Facetten eines Krieges auf, der im Erinnerungsjahr 2014 allenthalben im Fokus der Aufmerksamkeit steht.

Bei den zehn Männern handelt es sich um Kriegsgefangene in einem Lager in Wünsdorf, rund 40 Kilometer südlich von Berlin gelegen. Dort, im sogenannten Halbmondlager, sind die Aufnahmen, die als Glasnegative erhalten sind, auch entstanden. Wer sie zu welchem Zwecke gemacht hat, bleibt ebenso unklar wie die Identität vieler Porträtierter. Im 1915 fertig gestellten Halbmondlager lebten etwa 4.000 Kriegsgefangene, überwiegend islamischen Glaubens, aus den britischen und französischen Kolonien.

Dort entstand auch die erste rein religiös genutzte Moschee auf deutschem Boden, und obendrein gab es eine eigene Zeitung für die Muslime, El Dschihad betitelt. Eine Frontseite davon gehört ebenso zu den Exponaten der Ausstellung wie zahllose Ansichtskarten und Fotografien, die den Alltag im Lager belichten. Schon vor sieben Jahren hat sich der Berliner Regisseur Philip Scheffner in seinem Essayfilm „The Halfmoon Files“ mit dem Wünsdorfer Lager beschäftigt.

„Faszination und Propaganda“

Von den acht Millionen Soldaten, die für Frankreich in den Krieg zogen, kamen eine halbe Million aus den französischen Kolonien, die überwiegende Mehrheit aus Afrika. Die Wahrnehmung in Europa schwankte zwischen „Edlen Wilden“ und „Bestien“, was die von Benedikt Burkard kuratierte Ausstellung unter den Schlagworten „Faszination und Propaganda“ verhandelt. Dabei bemüht sich die Schau um unterschiedliche Perspektiven auf die Geschehnisse.

Besonders gut gelingt das im Kapitel „Erinnerung“: Während in Deutschland von der „Schwarzen Schmach“ die Rede war, was sich auf die teilweise afrikanischstämmigen Besatzungstruppen im Rheinland bezog, ehrte Frankreich seine afrikanischen Soldaten militärisch und auf wenigen Friedhöfen. In Afrika selbst hat man im Zuge der Unabhängigkeitsbestrebungen manches Denkmal abgetragen, erst recht als sich Frankreich später dazu entschloss, Pensionen nur noch an Soldaten aus dem Mutterland zu zahlen.

In den Lagern selbst wurden die Afrikaner auch für wissenschaftliche Untersuchungen benutzt, Gipsabdrücke von Ohren, Aufzeichnungen ihrer Stimmen und Gesänge gibt die Ausstellung ebenso wieder wie Augenzeugenberichte, Filmaufnahmen, Karikaturen und Notizbücher aus der Zeit. Der naive Blick dieser Dokumente ist oft nur einen Wimpernschlag vom rassistischen entfernt. Walter Trier, begnadeter Illustrator der Bücher von Erich Kästner, verunglimpft etwa einen senegalesischen Soldaten als Affen in Uniform.

Die anfangs erwähnten 15 Porträts stehen aber buchstäblich für sich, untergebracht sind sie in einer Art Séparée. Ihr Kunstcharakter enthebt sie der Zeit. Bestechend schön die Detailvergrößerung des Porträts von Lusani Cissé, der aus dem heutigen Burkina Faso stammte. In seinem Auge erscheint der Fotograf, der sich in der Iris des Fotografierten spiegelt, während er gerade seinen pneumatischen Auslöser in die Luft hält. Wer möchte, sieht darin eine kämpferische Geste zwischen Delacroix’ „Die Freiheit führt das Volk“ und Käthe Kollwitz’ „Nie wieder Krieg“.

15 Sep 2014

AUTOREN

Sojitrawalla

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