taz.de -- Skandal in Flüchtlingsheim in Burbach: Standards und wie man sie einhält
Nordrhein-Westfalens Landesregierung lädt nach dem Misshandlungsskandal von Burbach zum runden Tisch. Der Flüchtlingsrat ist skeptisch.
KÖLN taz | Der Flüchtlingsrat Nordrhein-Westfalen wirft der Düsseldorfer Landesregierung vor, auf die Übergriffe und Missstände in Flüchtlingswohnheimen des Landes nicht angemessen zu reagieren. „Die bislang verkündeten Sofortmaßnahmen sind unzureichend“, kritisierte Kirsten Eichler vom nordrhein-westfälischen Flüchtlingsrat.
Nach dem Skandal der Misshandlungen in einem Asylbewerberheim im nordrhein-westfälischen Burbach hat Landesinnenminister Ralf Jäger (SPD) die Sicherheitsüberprüfung für Wachleute verschärft und eine zehnköpfige Taskforce eingerichtet. Sie soll für angemessene hygienische Bedingungen, eine vernünftige Verpflegung sowie eine medizinische Grundversorgung sorgen.
Doch was das zu bedeuten hat, ist unklar, kritisiert der Flüchtlingsrat. Denn nach wie vor gibt es keine festgelegten Kriterien dafür, was die Einrichtung mindestens vorhalten muss. „Wie soll die Einhaltung von Standards überprüft werden, wenn es keine vorgeschriebenen Standards gibt?“, fragt Eichler. Außerdem fordert der Flüchtlingsrat, unabhängige Institutionen wie Kirchen oder NGOs zu beteiligen, um die Zustände in den Einrichtungen zu prüfen.
Der Flüchtlingsrat hofft, dass dies beim runden Tisch zur „Unterbringung von Flüchtlingen in NRW“, zu dem Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) für den kommenden Montag mehr als 20 Organisationen und die Vorsitzenden der Landtagsfraktionen eingeladen hat, ein Thema wird. Das Treffen wird hochkarätig besetzt sein: Neben Kraft sind ihre Stellvertreterin Sylvia Löhrmann (Grüne), Innenminister Jäger und Integrationsminister Guntram Schneider (SPD) sowie die grüne Gesundheitsministerin Barbara Steffens dabei.
Psychologische Versorgung
Zu den erforderlichen Mindeststandards gehören nach Auffassung des Flüchtlingsrats klare Vorgaben zur Zahl und Qualifikation des eingesetzten Personals, die Sicherstellung auch der psychologischen Versorgung sowie die Einrichtung einer unabhängigen Beschwerdestelle in den Einrichtungen. „Die Einhaltung dieser Standards muss vom Land NRW kontrolliert und Zuwiderhandlungen müssen sanktioniert werden“, fordert sie. Der Flüchtlingsrat hat zwar Verständnis für die schwierige Lage bei der Flüchtlingsunterbringung. Es könne aber nicht sein, dass selbst nach Jahren immer noch lediglich „Notlösungen“ gesucht werden, sagt Eichler.
Der Druck auf Innenminister Jäger wächst. Am Mittwoch findet trotz Herbstferien eine Sondersitzung des Innenausschusses statt. Die Opposition fordert weiterhin seinen Rücktritt. CDU, FDP und Piratenpartei werfen der Regierung vor, die Probleme bei der Unterbringung von Flüchtlingen wider besseren Wissens verschleppt zu haben.
„Ein vergleichbares Treffen wie den geplanten runden Tisch gab es doch schon im Mai 2013“, kritisierte der integrationspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Joachim Stamp – und fügt hinzu: „Seit neun Monaten liegt ein Projektbericht mit konkreten Lösungsvorschlägen vor.“ Darin seien der erforderliche Ausbau der Erstaufnahmeplätze ebenso aufgeführt wie geeignete Qualitätsstandards und deren Überprüfung beschrieben.
Der Koalitionspartner nimmt Jäger in Schutz. Umfassende Aufklärung sei notwenig, sagt die stellvertretende Grünen-Fraktionschefin Verena Schäffer. „Jetzt aber auf dem Rücken der Flüchtlinge eine politische Kampagne gegen den Innenminister zu betreiben, ist unredlich und hilft niemandem“, findet sie.
13 Oct 2014
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