taz.de -- Kommentar Müllers Textilbündnis: Sozial reden, dann aber kneifen
Minister Müller will Mindeststandards in der globalen T-Shirt- und Jeansproduktion. Das ist gut. Besser wäre noch, er würde diese auch durchsetzen.
Die Ohrfeige gebührt nicht Entwicklungsminister Gerd Müller, sondern den Verantwortlichen der großen Textilunternehmen. Diese weigern sich, Müllers Plan für bessere soziale und ökologische Bedingungen in den weltweiten T-Shirt- und Jeans-Fabriken zu unterschreiben.
Trotzdem markiert die Initiative des CSU-Politikers einen Fortschritt. Denn erstmals versucht die Bundesregierung Forderungen durchzusetzen, die Bürgerrechtsorganisationen seit Jahren erheben: existenzsichernde Löhne und Begrenzung der Überstunden für die Beschäftigten in den globalen Zulieferfirmen. Indem sie über diesen Plan mitverhandelten, haben auch die Textilkonzerne immerhin einen Schritt in die Richtung getan, den Existenzlohn als Ziel zu akzeptieren.
Gescheitert ist Müller jedoch damit, die Konzerne zur verbindlichen Mitwirkung zu drängen.
Dass die Unternehmen sich verweigern, hat vornehmlich betriebswirtschaftliche Gründe. Höhere Sozialstandards und effektive Kontrollen in Tausenden Zulieferfabriken sind machbar, kosten allerdings viel Arbeitskraft und Geld. Potenziell schmälern sie auch den Gewinn. Das ist immer noch eine schlechte Nachricht für die 08/15-Manager bei Adidas, Aldi, Metro, Otto, Puma und den anderen Unternehmen mit den tollen Nachhaltigkeitsberichten. Da stiften die Chefs gerne Professuren für Umwelt- und Soziales – wenn es zum Schwur kommt, kneifen sie.
Um die Konzerne zur Unterschrift zu bewegen, sollte Müller deshalb jetzt das Gesetzgebungsverfahren ankurbeln. Ohne klare Regeln, die pakistanische Textilarbeiter vor deutschen Gerichten auch einklagen können, passiert zu wenig. Auf dieses Gesetz allerdings, so ist zu befürchten, muss man lange warten. Und so steht auch Gerd Müller wieder im Mittelpunkt der Kritik.
16 Oct 2014
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Das BMZ legt einen Plan gegen weltweite Armut und Umweltzerstörung vor. Wunsch und Wirklichkeit widersprechen sich.
Gerd Müller (CSU) will die deutsche Entwicklungshilfe wieder entmilitarisieren und die Kleinbauern stärken. Die großen deutschen Textilfirmen erschüttern ihn ein wenig.
Die Wirtschaft will nicht Entwicklungsminister Müllers Bündnis für höhere Sozial- und Ökostandards beitreten. Umweltschützer sind sauer.
Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) will einen Sozial- und Ökostandard für die globale Textilproduktion einführen. Doch viele Unternehmen mauern.
Nach dem Fabrikeinsturz in Bangladesch sind mehr als 200 Textilfabriken geschlossen worden. Gründe sind Verstöße gegen Vorschriften, aber auch weniger Aufträge.
Sina Trinkwalder belegt mit ihrer Firma Manomama, dass Stundenlöhne für Näherinnen von mindestens 10 Euro wirtschaftlich tragbar sind.
Die Niedriglöhne in der Textilindustrie sind Teil des Systems: Sie machen die Arbeiter erpressbar. Daran etwas zu ändern, zerstörte die Branche.
In Hilferufen, die angeblich in Primark-Klamotten gefunden wurden, klagen Arbeiter über Ausbeutung. Die Firma dementiert die Vorwürfe.