taz.de -- Rechtsextreme gegen Salafisten: Hooligans randalieren in Köln

Mehr als 2.500 Neonazis und gewaltbereite Fußballfans haben in Köln gegen Salafisten demonstriert. Auch die Partei Die Rechte marschierte mit.
Bild: Rechte und Hooligans in Köln gingen auch Journalisten an.

KÖLN taz/afp | Nach der eskalierten Demonstration tausender Fußball-Hooligans gegen Salafisten am Sonntag in Köln ist es bis in die Nacht zu Ausschreitungen mit der Polizei gekommen. Insgesamt wurden 44 Polizisten verletzt und rund 20 gewaltbereite Demonstranten in Gewahrsam genommen, wie ein Polizeisprecher am Montagmorgen auf Nachfrage sagte. Noch Stunden nach Ende der Veranstaltung habe eine „eine Hand voll“ Hooligans in der Innenstadt randaliert. Dabei sei eine „kleine Gruppe“ festgenommen worden und habe die Nacht auf der Wache verbracht.

Den Auseinandersetzungen voran ging eine Demonstration, die sich vermeintlich gegen Salafisten richtete. Zu der waren militante Rechtsextreme aus der ganzen Bundesrepublik angereist. Schon auf der Auftaktkundgebung auf dem Platz hinter dem Hauptbahnhof war die Stimmung ausgesprochen aggressiv. „Wir wollen keine Salafistenschweine", skandierte die Menge. Immer wieder ertönten auch „Ausländer raus"-Rufe. Die Stimmung entsprach den Aufschriften auf den Sweatshirts wie „Purer Hass ist eine Zierde". Viele Teilnehmer hatten Bierflaschen oder -büchsen in der Hand und waren offensichtlich stark alkoholisiert. Vereinzelt wurden aus der Kundgebung heraus Böller gezündet.

Journalisten, die am Rande der Demonstration als Pressevertreter erkennbar waren, wurden angegangen. „Presse lügt", schallte ihnen entgegen. „Es war von Anfang an erkennbar, dass die nicht gekommen waren, um friedlich zu demonstrieren. Die wollten Krawall“, berichtete ein Augenzeuge, der Besucher am unmittelbar angrenzten Busbahnhof betreute und dort mit einer großen Rentnergruppen stecken geblieben war. Die Polizei sei vollkommen überfordert gewesen.

Nach der Kundgebung wollten die Nazis durch die Kölner Innenstadt marschieren. Nach wenigen hundert Metern, am Ebertplatz, eskalierte die Lage. Teilnehmer warfen die Blumenständer vor einem Restaurant um, aus der Menge wurden Bierflaschen und Steine geworfen. Die Polizei setzte Wasserwerfer, Pfefferspray sowie Schlagstöcke ein und geleitete den Aufmarsch zurück zum Hauptbahnhof. Dort eskalierte die Lage erneut. Die rechtsextremen Hooligans warfen einen Transporter der Polizei um und versuchten, den abgesperrten Bahnhof zu stürmen. Die Einsatzkräfte kesselten diejenigen rechten Fußballfans ein, die Flaschen und andere Gegenständen auf die Polizei warfen – darunter Fahrräder. Erneut kamen Wasserwerfer zum Einsatz. Am Abend geleiteten Beamte die Randalierer in kleinen Gruppen zu den Zügen. Auch dabei kam es immer wieder zu Rangeleien.

Salafisten als Vorwand

Hintergrund des Aufmarschs ist der Versuch von rechten Hooligans, das allgemeine Entsetzen über Salafisten und die Barbarei des Islamischen Staates im Irak und in Syrien zu instrumentalisieren, um gegen den Islam als solchen zu hetzen. Um gewaltbereite Fußballfans zu erreichen, haben sie das Netzwerk „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa) aufgebaut. Es will die Anhänger verschiedener Klubs einen. Die Partei Die Rechte, Sammelbecken gewaltbereiter Neonazis, hatte ebenfalls nach Köln mobilisiert.

Zunächst hat HoGeSa im Internet erfolgreich virtuelle Anhänger gewonnen. In den vergangenen Monaten baute das Netzwerk in der realen Welt Strukturen auf und rekrutierte Interessierte bei sogenannten Kennenlerntreffen. Bei einer Kundgebung in Dortmund Ende September brachten die extrem rechten Fußballfans 400 Leute auf die Straße. Die Veranstaltung in Köln sollte eine weitaus größere Machtdemonstration darstellen – das ist den Organisatoren leider gelungen. Beobachter fürchten, dass die Kölner Ereignisse den Auftakt einer neuen rechten Bewegung darstellen.

Gegenprotest mit 800 Leuten

Dagegen ein Signal setzen wollte ein breites Bündnis, das zu der Gegenkundgebung aufgerufen hatte. Vor dem Bahnhof an der Domseite versammelten sich am Sonntagmittag etwa 800 Demonstranten zu einer Gegenkundgebung. „Sowohl Dschihadisten als auch Rechte folgen einem autoritären, reaktionären Weltbild, das Menschen aufgrund ihrer Herkunft und Kultur einen unterschiedlichen Wert zuschreibt", sagte Leo Fischer, Sprecher der Kölner Antifa.

Die notwendige Kritik am Islamischen Staat sei nur ohne Rassismus möglich. An der Gegendemonstration nahm auch der bekannte Sänger Peter Brings teil. „Heute sind sie gegen Islamisten, morgen gegen Schwule und übermorgen gegen andere Leute, sagte er mit Blick auf die Rechtsextremen auf der anderen Seite des Bahnhofs.

Dieser Artikel wurde zuletzt aktualisiert am 27.10.2014, 8.30 Uhr.

26 Oct 2014

AUTOREN

Anja Krüger

TAGS

Hooligans
Salafisten
Rechtsextremismus
Die Rechte
Köln
Schwerpunkt HoGeSa
Schwerpunkt Neonazis
Schwerpunkt HoGeSa
Hooligans
Köln
Hooligans
Schwerpunkt Rassismus
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)
Hooligans
Dresden
Berlin

ARTIKEL ZUM THEMA

Kommentar Hogesa-Aufmarsch: Köln ist nicht Dresden

Die „Hooligans gegen Salafisten“ werden bei ihrer Jubiläumsfeier in einer deutlichen Minderheit sein. Die Stadt steht zusammen gegen rechts.

„Die Rechte“ in Dortmund: Neonazis wollen Juden zählen lassen

Im Dortmunder Stadtrat will die Neonazi-Partei „Die Rechte“ wissen, wie viele Juden in der Stadt leben. Die Anfrage sorgt für Empörung.

Hooligan-Krawalle in Köln: „Das ist in allen Städten möglich“

Neue Gesetze seien nicht nötig, sagt Innenminister de Maizière nach den HoGeSa-Krawallen. Die Gewerkschaft der Polizei warnt vor einer Eskalation.

Kommentar „Hooligans gegen Salafisten“: Frischzellen für Neonazis

Die Hooligans marschierten gegen Andersdenkende und Ausländer, nicht gegen Salafisten. Sie wurden unterschätzt – das passiert nicht noch mal.

Rechte Krawalle in Köln: Alles super gelaufen vor dem Dom

Die Einsatzleitung in Köln lobt sich. Die parlamentarische Opposition jedoch wirft der Polizei vor, unter Realitätsverlust zu leiden.

Rechte Krawalle in Köln: Allianz der Gewalt

Neonazis feiern die Eskalation der Hooligan-Demo gegen Salafisten. Die Polizei räumt ein, die Zahl der Teilnehmer unterschätzt zu haben.

Hooligan-Krawalle in Köln: „Eine reine Neonazi-Demonstration“

Antira-Initiativen wurden aus den Stadien verdrängt, sagt Pavel Brunßen vom linken Fan-Magazin „Transparent“. So konnte die rechte Hoolszene anwachsen.

Kommentar V-Leute im NSU-Umfeld: Quellenschutz verhindert Quellennutz

Der Verfassungsschutz will die Aussage eines V-Mannes im NSU-Prozess verhindern. Damit wird das V-Leute-System selbst ad absurdum geführt.

Rechte Hooligans gegen Salafisten: Prügeln so ganz ohne Stadion

Hooligans verfeindeter Vereine wollen am Sonntag in Köln gegen Salafisten demonstrieren. Die Gründe dafür sind so diffus wie der Zusammenschluss.

Anti-Nazi-Proteste in Dresden: Nächste Runde im Prozesstheater

In Dresden beginnt ein neuer Wettkampf vor Gericht. Es geht um Blockaden, Fahnen und eine spannende Frage: Hat Sachsens Justiz dazugelernt?

Kein Prozess gegen Berliner Blockierer: Erfolg für die Anti-Nazi-Pyramide

Mit einer Betonpyramide blockierten Aktivisten am 1. Mai 2013 einen Neonazi-Aufmarsch in Berlin. Das Verfahren gegen sie wurde nun eingestellt.