taz.de -- Geplante Pkw-Maut: Vorratsdaten zum Zweiten
Anonym auf der Autobahn? Das gehört mit der Maut der Vergangenheit an, kritisieren Datenschützer. Dabei ginge es auch anders.
BERLIN taz | Datenschützer befürchten durch die Einführung der Maut eine neue Art der Vorratsdatenspeicherung. „Damit wird eine Überwachungsinfrastruktur etabliert, die anonymes Fahren nicht mehr möglich macht“, sagt Thilo Weichert, Leiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD). Für „verfassungsrechtlich bedenklich“ hält der IT-Rechtler Matthias Lachenmann die Pläne.
Der Gesetzentwurf war am Wochenende bekannt geworden und damit auch, dass die an den Mautbrücken gescannten Daten deutlich länger aufbewahrt werden als zuvor angekündigt. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte stets betont, dass die Aufnahmen wie bei der Lkw-Maut sofort gelöscht würden, wenn es sich nicht um mutmaßliche Mautpreller handele. Aus dem Gesetzentwurf geht nun hervor, dass die an den Mautbrücken aufgenommenen Scans bis zu 13 Monate gespeichert werden. Damit sollen mögliche Erstattungsansprüche überprüft werden können.
Als „klassische Vorratsdatenspeicherung“ bezeichnet Weichert die Pläne. IT-Rechtler Lachenmann hält es für „völlig unverhältnismäßig, dass man sämtliche Daten 13 Monate lang speichert“. Schließlich würden die Erstattungsansprüche nur sehr wenige Menschen betreffen, die Speicherung aber alle mautpflichtigen Nutzer der überwachten Straßen.
„Offenbar hat Dobrindt das Problem der Mauterfassung massiv unterschätzt“, sagt Konstantin von Notz, netzpolitischer Sprecher der Grünen. Datenschützer Weichert geht zudem davon aus, dass die Begehrlichkeiten, die Daten auch für andere Zwecke zu nutzen, durch die lange Speicherfrist wachsen. Dobrindt hatte am Wochenende via Süddeutsche Zeitung versichert, dass die Daten nur für die Mauterhebung genutzt werden sollen. Doch Weichert traut dem Versprechen nicht. Er vermutet: Ohne die Zusage, die Daten nur für die Maut zu nutzen, hätten die ohnehin umstrittenen Pläne keine Akzeptanz in der Bevölkerung. „Aber ich garantiere Ihnen, dass in fünf Jahren das Zweckentfremdungsverbot aufgeweicht sein wird.“
IT-Rechtler Lachenmann spricht sich dafür aus, die Erstattungsansprüche komplett zu streichen. Wer sein Auto nicht nutzt, müsse es eben abmelden, um die Maut zu sparen. Werner Hülsmann vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung weist darauf hin, dass inländische Autobesitzer die Maut automatisch zahlen müssen, sodass diese Kennzeichen gar nicht gespeichert werden müssten. So wären Plakette und Kontrollen nur für Fahrzeuge ohne deutsches Kennzeichen notwendig – wobei sich auch hier wieder die Frage der Verhältnismäßigkeit stellt.
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) forderte am Montag, mit den Mautdaten „so sparsam wie möglich“ umzugehen. Jan Korte, stellvertretender Vorsitzender der Linksfraktion, sieht in den Datenschutzproblemen so auch etwas Gutes: Die jetzige Debatte darum habe das Potenzial, die Mautpläne komplett zu kippen.
3 Nov 2014
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Verkehrsminister Alexander Dobrindt spürt zunehmend Gegenwind. Macht seine geplante Pkw-Maut noch wirklich Sinn?
Das Verkehrsministerium reagiert auf die Kritik von Datenschützern und bessert das Mautgesetz nach. Der Minister scheint es eilig zu haben.
Verkehrsminister Dobrindt hat versprochen, dass inländische Autofahrer trotz Pkw-Maut nicht mehr zahlen sollen. Doch sicher ist das nicht.
Es gibt eine Reihe von Technologieprojekten, die nützlich erscheinen. Doch mit ihnen entsteht eine Infrastruktur, die leicht zu missbrauchen ist.
Die geplante Autobahngebühr soll durch den Abgleich von Nummernschildern erhoben werden. Datenschützer sprechen sich gegen ein zentrales Register aus.
Gerda Hasselfeldt ist mächtig. Und ihre Macht als CSU-Landesgruppenchefin nutzt sie klug – zur Merkelisierung ihrer Partei.
Wer massenhaft Daten über Kennzeichen und Fotos von Fahrern speichert, schafft Begehrlichkeiten. Vor allem bei den Fahndungsbehörden.
Von wegen Datenschutz: Mit der geplanten Pkw-Maut kommt deutlich mehr Überwachung, als Verkehrsminister Dobrindt zugibt.
Datenschützer kritisieren Dobrindts Mautpläne und warnen vor gläsernen Autofahrern. Schon jetzt scannen Lkw-Mautstellen nicht nur Lkws.