taz.de -- Machtkampf in Thüringen: Ministerpräsident mit einer Stimme
Die rot-rot-grüne Koalition wird denkbar knapp regieren. Schon um die Wahl des Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke) droht ein Verfassungsstreit.
BERLIN taz | Rot-Rot-Grün verfügt im Landtag von Thüringen nur über eine Stimme Mehrheit. Möglich, dass Bodo Ramelow (Linkspartei) daher am 5. Dezember bis zum dritten Wahlgang warten muss, um zum Ministerpräsidenten gewählt zu werden. Dann ist nicht mehr die absolute Mehrheit von 46 Stimmen erforderlich – gewählt ist, wer die meisten Stimmen erhält.
Doch was passiert, wenn im dritten Wahlgang nur Ramelow antritt? Darüber ist ein handfester Machtkampf entbrannt. Denn Christine Lieberknecht (CDU) hält es sich offen, ob sie in einem möglichen Duell gegen Ramelow antreten wird. Und CDU-Landtagspräsident Christian Carius, ein Vertrauter Lieberknechts, meint, dass Ramelow im dritten Wahlgang mehr Ja- als Nein-Stimmen benötige.
SPD, Linkspartei und Grüne deuten die Landesverfassung hingegen so, dass Ramelow im dritten Wahlgang sogar eine Ja-Stimme reichen würde. Rückenwind bekommen sie von einem 28-seitigen Gutachten des Düsseldorfer Verfassungsrechtlers Martin Morlok, das der SPD-Justizminister in Auftrag gab. Sein Urteil ist eindeutig: Die Thüringische Verfassung schließe „eine destruktive Verhinderungsmacht“ klar aus.
„Es zählen im dritten Wahlgang nur die Ja-Stimmen“, so Morlok. Ergo: Wenn Lieberknecht Ramelow verhindern will, muss sie im dritten Wahlgang antreten – und riskieren, weniger Stimmen als ihr Kontrahent zu bekommen. Genau das fordert jetzt die Linkspartei von ihr.
Verbindlich ist das Gutachten aber nicht. Und falls die CDU auf ihrer Rechtsauffassung beharrt, könnte der dritte Wahlgang verschoben werden. Dann müsste erst das thüringische Landesverfassungsgericht entscheiden – und Lieberknecht bliebe erst einmal geschäftsführend im Amt.
25 Nov 2014
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Konfuser ist eine Partei selten abgetreten. Politisch hat die CDU in Thüringen keine Partner mehr. Ein dauerhaftes innerparteiliches Scharmützel droht.
Die CDU wehrt sich lautstark gegen die Wahl eines linken Ministerpräsidenten in Thüringen. Während Kritiker auf die Straße gehen, rückt die Partei näher an die AfD.
Die Christdemokraten werden im ersten Wahlgang keinen Kandidaten gegen den Linken Bodo Ramelow aufstellen. Christine Lieberknecht hatte schon zuvor abgewunken.
Ist der Weg für Bodo Ramelow damit frei? Christine Lieberknecht von der CDU steht als Gegenkandidatin in Thüringen nicht zur Verfügung.
Das Angebot der AfD, einen Gegenkandidaten zu unterstützen, stürzt die Landes-CDU in ein Dilemma. Die Linke wittert schon einen „Dammbruch“.
In Thüringen wird um das Verfahren bei der Ministerpräsidentenwahl gestritten. Nun will die CDU für Klarheit sorgen – mit einem eigenen Kandidaten.
Kommt Ramelow, wird CDU-Fraktionschef Mike Mohring Oppositionsführer. Für ihn ist noch offen, ob Rot-Rot-Grün eine Mehrheit zusammenbekommt.
Konservative stilisieren Rot-Rot-Grün in Erfurt zur Gefahr. Was die Gegenwart nicht hergibt, muss die Vergangenheit erfüllen.
Wenn Rot-Rot-Grün es schafft, wird die Bundesrepublik wieder etwas bunter. Die Rückkehr des Realsozialismus muss niemand fürchten.
Ausgerechnet am 9. November rief ein CDU-Mitglied zu einer Demo gegen Rot-Rot-Grün auf. Unter den 4.000 Menschen waren auch radikale Rechte.