taz.de -- Sanktionen gegen Russland: Sozis setzen auf Entspannung

SPD-Politiker wollen den Druck auf Russland nicht weiter erhöhen. Deutschen Unternehmen käme das auch ganz gelegen.
Bild: Tafel mit Wechselkursen am 22. Dezember 2014 in Moskau.

BERLIN taz | Kurz vor dem Weihnachtsfest senden führende Sozialdemokraten Zeichen der Entspannung nach Moskau. Ob Außenminister Frank-Walter Steinmeier, Wirtschaftsminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel, SPD-Vizebundestagsfraktionschef Rolf Mützenich oder EU-Parlamentspräsident Martin Schulz: wie im Chor sprachen sie sich alle gegen weitere Sanktionen gegen Russland aus.

Es müssten Russland Möglichkeiten aufgezeigt werden, „auf dem Verhandlungswege ohne Gesichtsverlust aus der schwierigen Situation herauszukommen“, sagte Martin Schulz der Süddeutschen Zeitung. Der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich stellte sogar eine Lockerung der Sanktionen in Aussicht. Falls in der Ostukraine wirklich die Waffen schweigen sollten, die Minsker Vereinbarung nachprüfbar umgesetzt würde und eine sicherheitspolitisch verlässliche Atmosphäre hergestellt werden könnte, dann „müssen auch die Sanktionen nach und nach überprüft und zurückgenommen werden“, forderte Mützenich in der Berliner Zeitung.

Beide unterstützen damit den Kurs von Außenminister Steinmeier. „Wer Russland in die Knie zwingen will, irrt gewaltig, wenn er glaubt, dass das zu mehr Sicherheit in Europa führen würde“, hatte Steinmeier zuvor im Spiegel gewarnt. Deswegen sei er „gegen ein weiteres Drehen an der Sanktionsschraube“.

Auch SPD-Chef Gabriel sagte gegenüber dem Tagesspiegel am Sonntag, weder Deutschland noch Europa könnten „Interesse daran haben, dass Russland ins wirtschaftliche Chaos abgleitet“. Das sieht die deutsche Wirtschaft genauso. Denn unter der sich verschärfenden wirtschaftlichen Situation in Russland und dem dramatischen Verfall des Rubels leiden auch deutsche Unternehmen.

Sanktionen treffen

6.000 Unternehmen mit deutscher Kapitalbeteiligung sind in Russland aktiv. Laut einer aktuellen repräsentativen Umfrage der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer (AHK) sehen sich 58 Prozent dieser Unternehmen von den derzeitig geltenden Sanktionen beider Seiten betroffen. Etliche Firmen müssten Projekte gar komplett stornieren (36 Prozent), Mitarbeiter in Russland (28 Prozent) oder Deutschland (6 Prozent) entlassen.

„Wir hatten und haben nach wie vor Bedenken, dass die politisch intendierte Wirkung der Sanktionen den gewünschten Effekt zeitigt“, bilanziert der Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Volker Treier. „In jedem Fall haben die geltenden Beschränkungen sehr deutliche Auswirkungen auf die Wirtschaft – in beiden Ländern.“

Auch die deutschen Exporteure klagen über Geschäftseinbrüche. So erwartet der Chef des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, Eckhard Cordes, bis zum Jahresende einen Rückgang der Russland-Exporte um 20 Prozent. Cordes gehört zu den Unterzeichnern des Aufrufs „Wieder Krieg in Europa? Nicht in unserem Namen!“ von 64 Persönlichkeiten aus Politik, Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft.

22 Dec 2014

AUTOREN

Pascal Beucker

TAGS

Russland
Wladimir Putin
SPD
Russland
Russland
Ukraine
Ukraine
Russland
USA
Russland
Schwerpunkt LGBTQIA
Wladimir Putin
Wladimir Putin

ARTIKEL ZUM THEMA

Entspannungspolitik mit Russland: Signal ohne Echo

Angela Merkel versucht Putin mit einer Friedensdividende zu locken – doch der reagiert nicht.

Ökonom über Russland vor der Rezession: „Die Krise ist unser internes Problem“

Die aktuell drohende Rezession ist hausgemacht, meint der Wirtschaftsexperte Sergej Drobyschewski. Sie werde den Lebensstandard für viele im Land deutlich senken.

Kommentar Politik und Ukraine-Konflikt: Merkel ab nach Moskau

Der Krieg im Donbass geht weiter. Die Diplomatie scheint gescheitert. Aber das täuscht. Jetzt muss der Westen Wladimir Putin mehr anbieten.

Abstimmung im Parlament: Ukraine ist jetzt blockfrei frei

Das Parlament widerruft den Status der „Blockfreiheit“, um sich die Perspektive eines Nato-Beitritts zu öffnen. Russland findet das „vollkommen kontraproduktiv“.

Krise in der Ukraine: Neue Friedensgespräche geplant

Im Mühen um eine Friedenslösung in der Ukraine unternehmen die Akteure einen neuen Anlauf. In Minsk soll es noch diese Woche Gespräche geben.

Krim-Annektierung durch Russland: USA verhängen weitere Sanktionen

Investitionen auf der Krim sind ab sofort untersagt – genau wie Im- und Exporte. Die Schritte der USA findet Russland „sinnlos“.

Der Fall des Rubel: Russen im Kaufrausch

Die Krise treibt die Leute in die Geschäfte. Die Preise für Luxusgüter und Lebensmittel steigen. Für die Jungen ist das eine ganz neue Erfahrung.

LGBT in Russland: „Amoralisch und krank“

Eine Lehrerin in St.Petersburg wird gefeuert, weil sie Lesbe ist. Eine NGO meint: Die Zahl der Übergriffe auf Homosexuelle wächst.

Kommentar Putins Jahres-PK: Von Feinden umzingelt

Der russische Präsident gesteht in seiner Jahres-PK die schwere Wirtschaftskrise des Landes. Seine Ukraine-Politik wird er deshalb nicht ändern.

Putins Jahrespressekonferenz: „Wir haben hier keine Paläste“

Der russische Präsident schaut gelassen in die Zukunft. In spätestens zwei Jahren werde das Land die Krise überwunden haben, sagt Putin.