taz.de -- Öllagerung auf hoher See: Die schwimmenden Bunker

Mehrere große Ölhändler buchen Supertanker, um Millionen Barrel Erdöl auf dem Meer zu lagern. Sie wollen warten, bis die Preise wieder steigen.
Bild: Ein Barrel Öl kostet in den USA derzeit knapp 50 Dollar. Im Jahr 2008 kostete dieselbe Menge 135 Dollar.

LONDON rtr | Das weltweite Überangebot an billigem Erdöl bringt die Händler der Branche auf ungewöhnliche Ideen: In der Hoffnung auf künftig wieder anziehende Preise, mieten sie Industriekreisen zufolge derzeit verstärkt Supertanker an, um den Rohstoff erst einmal auf hoher See zu lagern. Zu den Unternehmen gehören etwa der größte unabhängige Ölhändler Vitol oder die in der Schweiz ansässige Trafigura, aber auch der Energiekonzern Shell, heißt es aus Schifffahrts- und Frachtmaklerkreisen.

Vitol etwa buchte den Informationen zufolge mit der „TI Oceania“ einen der größten Supertanker überhaupt, der ein Fassungsvermögen von drei Millionen Barrel hat, das sind fast eine halbe Milliarde Liter. Trafigura sicherte sich mit der „Nave Synergy“ ebenfalls einen Mega-Tanker und Shell buchte mit der „Xin Run Yang“ und der „Xin Tong Yang“ gleich zwei solcher Schiffe.

Den Schifffahrtslisten zufolge kosten die Tanker zum Teil deutlich weniger Miete als sonst üblich, da es sich oft um ältere Schiffe und um langfristige Mietverträge von bis zu zwölf Monaten handelt. Den Informationen zufolge konnten die Händler Mieten von weniger als 40.000 Dollar am Tag aushandeln, was 20.000 bis 30.000 Dollar unter dem jüngsten Durchschnitt liegt.

Die Händler spekulieren auf einen Anstieg des zuletzt bis um die Hälfte gefallenen Erdölpreises. So kostet ein Barrel der führenden Nordseemarke Brent zu Lieferung Ende 2015 acht Dollar mehr als derzeit am Spot-Markt. Dort war der Preis am Mittwoch auf 49,66 Dollar pro Barrel gefallen und lag damit so tief wie seit 2009 nicht mehr.

Insgesamt wurden nach ersten Schätzungen bislang zwischen zwölf und 15 Millionen Barrel an Lagerkapazitäten auf See gebucht. Und es gebe weitere Anfragen, verlautete aus den Schifffahrtskreisen. Beim letzten Ölpreisverfall 2009 waren hatte es mehr als 100 Millionen Barrel Lagerkapazität auf See gegeben. Nach Einschätzung von Analysten von JBC Energy in Wien könnte die Lagerung dort zumindest zeitweise auch den Erdölpreis auf den Märkten stabilisieren.

9 Jan 2015

TAGS

Spekulation
Erdöl
Ölpreis
Shell
Arktis
USA
Wirtschaft
Ölpreis
Opec
Opec
Ölpreis
Ölpreis

ARTIKEL ZUM THEMA

Umweltschutz an Nord- und Südpol: Sauberer durchs Eismeer

Seit dem 1. Januar gilt der „Polar Code“. Schiffe in der Arktis und Antarktis müssen neuen Sicherheitsregeln entsprechen.

Debatte Ölpreise: Die Frackingblase

Bei einem Ölpreis von 50 Dollar wird in Texas und Dakota täglich Geld verbrannt. Doch der kolportierte Preiskrieg der Saudis ist eine Fiktion.

Sturz des Ölpreises: „Viel tiefer kann er nicht fallen“

Wir müssen weg vom Öl, sagt der Energiewissenschaftler Lutz Mez. Ein Gespräch über den heftigen Absturz und den Herdentrieb der Spekulanten.

Peak Oil und Ölkrise: Das ist hundsgefährlich!

Saudi-Arabien verweigert der Opec die Drosselung der Förderquote und spornt Deuter zu Spekulationen an: Sollen Staaten destabilisiert werden?

Kommentar Opec und Ölpreis: Schlechte neue Welt

Die Organisation erdölexportierender Staaten herrscht nur noch über etwa ein Drittel der weltweiten Produktion. Der Ölpreis sinkt – fragt sich, wie lange.

Opec und Ölpreis: Tun sie's oder tun sie's nicht?

Öl wird immer billiger. Das sorgt für Löcher in den Kassen vieler Förderländer. Sie könnten das ändern, indem sie die Produktion drosseln.

Kommentar Ölpreis: Eine Krise des Kapitalismus

Der niedrige Benzinpreis freut die deutschen Autofahrer, gefährdet aber ganze Länder. Sinkt er weiterhin, könnte er die nächste Finanzkrise auslösen.

Warum der Preis für Rohöl sinkt: Herdentrieb der Finanzmärkte

Hieß es nicht, die Ölvorräte gingen zur Neige? Nun steigt die Förderung und die Preise fallen – eine tückische Entwicklung für die Weltwirtschaft.