taz.de -- Kommentar Demoverbot in Dresden: Aus Rassisten werden Märtyrer
Die Absage der Pegida am kommenden Montag ist nicht das Ende der Bewegung. Im Gegenteil: So stilisieren sie sich als Helden der Meinungsfreiheit.
Es ist den Pegida-Organisatoren nicht zu verdenken, wenn sie ihre Demonstration für diesen Montag abgesagt haben. Es ist jedem selbst überlassen, welche Konsequenzen er oder sie aus den kursierenden Terrordrohungen zieht.
Es gibt deshalb weder einen Grund, den Dresdner Freunden des Ressentiments Hasenfüßigkeit vorzuwerfen, noch besteht Anlass, sich voller Freude auf die Schenkel zu schlagen, weil die Versammlung ausfällt. Häme war noch nie ein guter politischer Ratgeber.
Es ist nämlich so: Die Absage dürfte keinesfalls das Ende dieser seltsamen Bewegung sein. Vielmehr können sich die Pegida-Organisatoren nun als Märtyrer der Meinungsfreiheit stilisieren, die von islamistischen Terroristen dazu gezwungen worden sind, das Recht auf eine freie Demonstration aufzugeben. Wer immer der Urheber der Bedrohung ist – er oder sie hat den Gegnern einer bunten Republik einen großen Gefallen getan.
Ob das Verbot aller Demonstrationen in Dresden durch die Polizei, das der Absage folgte, berechtigt ist oder nicht, das kann kein Kommentator beantworten. Das wissen nur diejenigen, die es ausgesprochen haben, denn nur sie verfügen über die Informationen, wie konkret die Bedrohung ist. Immerhin bleibt anzumerken, dass wegen der Terrorwarnungen bis dato weder ein Bahnhof gesperrt worden ist noch eine Bundestagsdebatte ausfallen musste oder eine Zeitung nicht erscheinen konnte.
Ebenso erfreulich ist es, dass die Bundesregierung bislang darauf verzichtet hatte, mithilfe von Terrordrohungen eine Politik der Angst voranzutreiben. Das Demonstrationsverbot aber ist nicht nur solch eine Politik, sondern auch ein Eingriff in Grundrechte, für die es sehr gute Gründe geben muss. Deshalb ist es mehr als angebracht, die Gründe dafür der Öffentlichkeit vorzulegen.
18 Jan 2015
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