taz.de -- UN-Hilfe in Syrien: Stillstand in einigen Provinzen

Laut UN-Angaben können derzeit einige syrische Gebiete nicht mit Hilfsmitteln versorgt werden. Das liegt auch, aber nicht nur an der IS-Miliz.
Bild: Ein Mann steht vor einem zerstörten Haus in der IS-Hochburg Rakka

NEW YORK taz | In den syrischen Provinzen Rakka und Deir el Sur erhalten etwa 600.000 Personen keinerlei Lebensmittelhilfe der UNO. Das liegt deren Angaben zufolge daran, dass die Miliz Islamischer Staat (IS), die beide Regionen kontrolliert, keine entsprechende Vereinbarung treffen wollte. Zudem haben viele örtliche NGOs aus Sicherheitsgründen ihre Arbeit vorerst eingestellt oder ganz beendet.

Dies berichtete die Vizechefin des UN-Nothilfebüros Ocha, Kang Kyung Wha, am Mittwoch in New York. Ihren Angaben zufolge brauchen 12,2 Millionen Syrer Hilfe von außen. Die Hälfte von ihnen lebt in schwer erreichbaren Regionen.

Aber auch das syrische Regime behindert Hilfe aktiv. Kang wies darauf hin, dass es „leider keinen Fortschritt“ hinsichtlich der Einbeziehung medizinischer Hilfsgüter bei UN-Lieferungen aus der Türkei und Jordanien gäbe. Beispielsweise sei im Dezember die Lieferung von Injektionen und chirurgischem Material für Ost-Ghouta bei Damaskus verhindert worden. Und bei einer Lieferung für das Stadtviertel al-Waer in Homs im Januar hätten staatliche Sicherheitskräfte sämtliche chirurgische Instrumente sowie Medikamente gegen Brechdurchfall, für Schwangere und Gebärende sowie für Frauengesundheit generell aus einem Konvoi verschiedener Hilfsorganisationen entfernt – ungeachtet der Zustimmung des Gouverneurs der Stadt. Kang bezeichnete dieses Vorgehen als einen Bruch des Völkerrechts.

Ein weiteres Problem ergibt sich aus der Tatsache, dass nach wie vor etwa 212.000 Personen in abgeriegelten Orten leben. 185.500 von ihnen werden von den bewaffneten Kräften des Regimes belagert und 26.500 von Oppositionsgruppen. Hilfsorganisationen haben kaum Zugang zu diesen Orten. Seit dem 1. Dezember 2014 gelang das nur in zwei Fällen. Im gesamten Jahr 2014 gab es 16 Anfragen bei der Regierung für Hilfslieferungen, von denen lediglich 4 durchgeführt werden konnten. Eine Antwort auf die anderen 12 Anfragen erfolgte gar nicht erst.

Auch die etwa 18.000 verbliebenen Einwohner von Yarmouk im Süden von Damaskus haben seit dem 6. Dezember keine Hilfe mehr erhalten, in diesem Fall wegen anhaltender Kämpfe in dem Viertel und in seiner Umgebung. Auch zuvor war Hilfe nur sporadisch und nicht in ausreichendem Umfang möglich.

Kang schätzt die für 2015 notwendige Summe für Hilfslieferungen nach Syrien auf 2,6 Milliarden Euro. Im Vorjahr erhielt die UNO ganze 48 Prozent der damals geforderten 1,8 bis 2,2 Milliarden Euro.

29 Jan 2015

AUTOREN

Beate Seel

TAGS

Schwerpunkt Syrien
Vereinte Nationen
„Islamischer Staat“ (IS)
Humanitäre Hilfe
Islamismus
Schwerpunkt Syrien
Friedensgespräche
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Flüchtlinge
USA

ARTIKEL ZUM THEMA

Miliz „Islamischer Staat“: Der Terror-Ideologe

Turki Al-Binali fährt durch das Territorium der IS-Miliz und rechtfertigt in Predigten die Gewalt der Gruppe. So lassen sich junge Islamisten begeistern.

Terror durch den IS: Miliz stellt neues Ultimatum

Die Islamisten haben Japan und Jordanien ein neues Ultimatum für die Freilassung zweier Geiseln gestellt. Indes zerstörten sie die historische Stadtmauer von Mossul.

Debatte Syrien: Es gibt eine Chance

„Friedensstrategien“ sind für die neuen Verhandlungen ein zu großes Wort. Aber immerhin gibt es neue Ideen, die das Leid lindern könnten.

Das PKK-Verbot ist überholt: Ein Hauch von Stalingrad

Nach dem historischen Sieg über den IS ist es an der Zeit, das PKK-Verbot aufzuheben und beim Wiederaufbau von Kobane zu helfen.

Vertreibung des IS aus Kobani: Hoher Preis für einen Sieg

Mit US-Unterstützung haben die Kurden die Schlacht um Kobani weitgehend gewonnen. Doch der Kampf gegen den Islamischen Staat ist festgefahren.

Syrische Flüchtlinge in der Türkei: Warten auf das Geisterschiff

Für 150.000 syrische Flüchtlinge ist die türkische Stadt Mersin das Tor nach Europa. Für andere ist ihr Schicksal ein Millionengeschäft.

Bürgerkrieg in Syrien: Kurden vertreiben IS aus Kobani

Die IS-Miliz ist nach Angaben der kurdischen Truppen fast vollständig aus Kobani abgezogen. In Moskau treffen sich derweil Vertreter der Opposition zu Beratungen.